Ed Ruschas Polit-Schau in Wien: Das ist keine Flagge nicht

Ed Ruschas Polit-Schau in Wien: Das ist keine Flagge nicht
Der US-Künstler gestaltete in der Wiener Secession eine Echokammer amerikanischer Symbole

Mit Wien verbinde er vor allem die Zithermusik aus dem „Dritten Mann“, sagt Ed Ruscha. Eh klar, möchte man erwidern – wenn der 80-Jährige nicht auch als Geistesverwandter der Wiener Gruppe oder von Ernst Jandl durchgehen würde: Aufgrund seiner Lust, mit Worten zu spielen und sie nur wegen ihres Klangs oder Aussehens in riesigen Lettern zu malen, ließen sich durchaus Bezüge zwischen dem hochdekorierten US-Künstler und heimischen Sprach-Bild-Virtuosen stricken.

Zugleich ist Ruschas Kunst in einer unvergleichlichen Weise amerikanisch, und wer das nicht weiß, dem treiben zwei wehende „Stars und Stripes“-Flaggen am Beginn der Schau „Double Americanisms“ in der Wiener Secession (bis 20.1. 2019) gleich jeden Zweifel aus.

Ed Ruschas Polit-Schau in Wien: Das ist keine Flagge nicht

Fahnen und Trommeln

„Es ist hat etwas Patriotisches, eine Flagge zu hissen und eine Trommel zu schlagen“, sagt Ed Ruscha. Der Künstler, der sich selbst nicht als Patriot bezeichnet („Ich war ja noch nie in Disneyland!“), verweist damit auf die zweitwichtigsten Exponate der Ausstellung: Es sind ausgemusterte Felle von Trommeln, beschriftet mit den für Ruscha typischen, blockigen Buchstaben.Man kann sich die Marschkapellen, wie sie in den Vereinigten Staaten allerorten durch Hauptstraßen und über College-Campusse paradieren, lebhaft vorstellen. Die Fahnenbilder – es sind Reproduktionen von Gemälden, die Ruscha zwischen 1985 und 2017 anfertigte – schrecken auch nicht vor einschlägigem Kitsch zurück. In der Secession hängen die Bilder allerdings in drei aufeinander folgenden Kammern, wobei sich die Stimmungen zunehmend verfinstern, die Flagge am Ende zerfetzt ist: Mit Amerika geht es hier zweifellos bergab.

Ed Ruschas Polit-Schau in Wien: Das ist keine Flagge nicht

Das allein wäre noch recht plump, wenn Ruscha seine Werke nicht in ein elaboriertes Verwirrspiel einschreiben würde: Fast alles in der Ausstellung – vom Grundriss bis zu den Flaggenbildern und zwei Paravents mit dem Hollywood-Schriftzug – scheint nämlich entlang der Mittelachse gespiegelt, jedes der großen Bilder hat sozusagen ein Gegenteil.

Auf die Trommelfelle wiederum schrieb Ruscha ausschließlich Sprüche aus der amerikanischen Alltagsssprache, die eine doppelte Verneinung enthalten: „Ain’t No lie“, heißt es da, oder „Nobody denied nothing“: Ob es sich nun um eine Lüge handelt oder jemand etwas verneint hat oder nicht, hängt ganz davon ab, ob man die Sätze streng grammatikalisch „richtig“ oder dem Slang gemäß übersetzt.

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Ain’t no trouble

Eine derartige Uneindeutigkeit ist typisch für den Künstler, der in den 1960ern an der Seite von Roy Lichtenstein und Andy Warhol ausstellte, sich aber nie wirklich in die Tradition der Pop-Art mit ihrer Begeisterung für die Waren- und Konsumwelt einreihen ließ. Wenn Ruscha Tankstellen, Verpackungen oder den Hollywood-Schriftzug malte, atmete das stets auch die Kühle des Minimalismus und der Konzeptkunst. Landschaftsbilder, wenngleich höchst sorgfältig ausgeführt, waren für ihn nur „anonyme Hintergründe für Wörter“, sagte er einmal.

Das traditionelle Gefälle von hoher und niedriger Ästhetik ebnete Ruscha nun auch ein, indem er Slang-Ausdrücke in die Goldränder alter Kirchenliederbücher oder Edgar-Allan-Poe-Bände ritzte: Wem alles gleich gültig ist, der kann auch alles als Vorlage für neue Ideen, neue Kunst, neue Anfänge nutzen. Wer will, kann aus dieser endlos coolen Ästhetik auch Hoffnung für die Zeit schöpfen, in der die zerrupfte alte Flagge einmal ganz zerrissen ist.

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