Dirigent Daniele Gatti im Interview

Der Italiener Daniele Gatti
Der italienische Dirigent über seinen Abschied aus Paris und seine Pläne für Amsterdam.

Daniele Gatti sagt Adieu. Mit Ende dieser Saison verlässt das gebürtige Mailander das Orchestre National de France nach acht Jahren als Chefdirigent und übernimmt ab der kommenden Spielzeit das Concertgebouworchester in Amsterdam. Im Rahmen seiner Abschiedstournee mit den Parisern gastierte Gatti (siehe Kritik) auch im Wiener Musikverein und nahm sich Zeit für ein Gespräch.

KURIER: Maestro Gatti, fällt Ihnen der Abschied schwer?

Daniele Gatti: Es ist ein guter Zeitpunkt, die Position in Paris aufzugeben. Ich vergleiche das gerne mit einer Ehe. Man trennt sich letztlich, bleibt aber befreundet. Die Zeit in Paris war sehr schön, und ich denke, wir haben künstlerisch auch einiges erreicht. Aber die Gefahr der Routine ist nach einer so langen Zeit doch gegeben. Ich bin keiner, der Positionen in alle Ewigkeit behalten will. Und ich habe auch noch nie um eine Position als Chefdirigent gekämpft. Ich bin kein Orchesterjäger.

Dennoch übernehmen Sie als Nachfolger von Mariss Jansons das berühmte Amsterdamer Concertgebouw ...

Als Mariss Jansons seinen Abschied angekündigt hat, wurde ich vom Orchester gefragt. Wir kennen einander lange und haben ein sehr gutes Verhältnis miteinander. Das Concertgebouw ist eines der besten Orchester der Welt, wo ich als Dirigent meine persönlichen Farbtupfer hinterlassen kann.

Die wären?

Ich bin jemand, der gern in historischen Linien denkt. Mir schwebt eine Reise von Bruckner über Mahler hin zur Zweiten Wiener Schule vor. Es ist kein Geheimnis, dass ich Schönberg, Berg, Webern extrem schätze. Und Wagner!

Dessen "Tristan" Sie im Mai in Paris dirigieren. Gibt es auch für Wien Opernpläne?

Direktor Dominique Meyer und ich sind laufend im Gespräch. Aber ich will mich sehr auf Amsterdam konzentrieren und das Orchester etwa heuer bei den Salzburger Festspielen oder in Grafenegg präsentieren. Der Musikverein ist auch sehr wichtig. Dazu kommt, dass man Oper sehr gut vorbereiten muss. Man muss – wie bei allen Werken – die Partitur Note für Note lesen. Immer wieder. Bis im Kopf das jeweilige Konzert oder die jeweilige Oper erklingt. Die schönste Musik ist für mich nämlich eigentlich jene, die sich ausschließlich im Kopf abspielt. Da klingt sie ideal. Bei der Aufführung selbst kann man dann nur versuchen, möglichst nahe an dieses innere Ideal heranzukommen.

Wann gelingt das?

Das spürt man. Wenn sich im Saal zwischen Orchester, Publikum und Dirigent eine Energie aufbaut, die einen alles vergessen lässt, dann hat man etwas richtig gemacht. Als Dirigent ist man ja nur Diener am Komponisten und am Publikum.

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