Warum nicht? Ohne Publikum und mit Streaming sollte das doch machbar sein.
Ist es offenbar nicht. Der Intendant der Dresdner Semperoper, Peter Theiler, hat abgewunken. Dazu gab es Begründungen, die ich und die Sächsische Staatskapelle als nicht ausreichend empfinden. Wir hätten uns an alle Maßnahmen gehalten. Ich frage mich schon: Berlin kann spielen, Leipzig kann spielen, Wien kann spielen. Das Virus ist in Wien genau so wie in Dresden! Und nein, wir sind auch nicht illoyal, wenn wir das kritisieren.
Aber es gibt die Hoffnung auf die Salzburger Osterfestspiele, die von 2. bis 5. April stattfinden sollen, bei denen Sie und die Sächsische Staatskapelle mit Konzerten präsent sein werden.
Ja, das wird das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit sein, dass wir wieder zusammen spielen. Das ist doch der Sinn eines Orchesters, dass man gemeinsam musiziert. Die Musiker werden langsam verrückt. Und für die jungen Musiker ist es eine bittere Pille, eine Katastrophe, dass sie nicht üben können. Das ist verheerend. Aber wir werden sehr früh nach Salzburg fahren und proben, proben, proben. Denn das Programm ist trotz der abgesagten ,Turandot’ sehr schön geworden. Bis dahin gehe ich mit den Wiener Philharmonikern fremd.
Womit wir wieder bei den Wienern und Bruckner wären. Welche Fassung der ersten Symphonie haben Sie gewählt? Die Linzer Urfassung oder die viel später entstandene Wiener Fassung? Und bis wann soll der Bruckner-Zyklus angeschlossen sein?
Die Gesamteinspielung aller Symphonien soll 2023 fertig sein. Vielleicht nehmen wir jetzt in Pandemie-Zeiten sogar noch Bruckners so genannte ,Nullte’ dazu. Im Musikverein spielen wir die Wiener Fassung, die unter Hans Richter uraufgeführt wurde. Ich habe mich sehr damit befasst, denn Bruckners Fassungen sind ein Kapitel für sich. Die Erste ist nicht immer die Beste. Die Linzer Fassung, die ich etwa in Dresden gemacht habe, ist wirklich jungfräulich. Die Wiener Fassung hat Bruckner selbst ein ,keckes Beserl’ genannt. Und diese Fassung ist zum Besseren geworden. Allein der langsame Satz ist ein Ereignis.
Inwiefern?
Man muss diese Symphonie breit genug spielen, man muss es da richtig singen lassen. Die Temporegie ist extrem wichtig. Und die Wiener Philharmoniker wissen das. Sie sind extrem motiviert, ja fast übermotiviert. Die Proben sind ein Geschenk. Denn dieses Orchester klingt einfach traumhaft schön. Und dem gesamten Zyklus tut es gut, diese ganz ungewöhnliche Harmonie zu spüren.
Gibt es denn auch weitere Pläne für Wien, etwa für die Staatsoper?
Ich habe Staatsoperndirektor Bogdan Roščić getroffen, und wir sind da am Tüfteln. Es wird viel Schönes geben. Und den Wienern bleibe ich ohnehin immer treu.
Und wie geht es bei den Bayreuther Festspielen weiter?
Ich glaube ja an das Gute und hoffe, dass trotz aller notwendigen Verschiebungen die Festspiele heuer stattfinden.
Wie aber wirkt sich diese Pandemie auf die Kultur aus?
Dieses Schneller, Höher, Weiter ist wohl vorbei. Und es wird ein bisschen weniger Mobilität geben. Auch das Fliegen wird vermutlich eingeschränkt bleiben. Das kann sogar ein Vorteil sein. Wichtig wäre es aber, nach der Pandemie die Häuser und Konzertsäle wieder voll zu bekommen. Gern auch mit Impfausweis. Aber manche Menschen sind leider unvernünftig. Ich stelle mir da schon einige Fragen.
Welche zum Beispiel?
Ob dieses ewige Wachstum jetzt einen gerechten Dämpfer erhalten hat. Ob das gut ist, was wir mit der Natur, mit unserer Erde gemacht haben. Ich finde, wir sind mit der Erde nicht wahnsinnig gut umgegangen. Diese Pandemie ist insofern auch ein höherer Warnschuss, auf den wir in Zukunft hören sollten.
Und wirtschaftlich?
Da kommt das Drama, da kommt die Katastrophe erst! Die Kaffeehäuser, die Restaurants, die Hotellerie. Schauen Sie nur nach Ibiza oder an die Costa Brava – da werden ganze Hotelketten kaputt gehen. Viele Unternehmen im Tourismus werden pleite gehen. Auch die Kultur wird es teilweise hart treffen. Dabei sind die Menschen schon so ausgehungert, nach allem!
Wie verbringen Sie diese außergewöhnlichen Zeiten?
An der Bruckner eins bin ich sehr lange gesessen, damit das Konzert wirklich gut wird. Dann bin ich draufgekommen, dass ich den ,Don Quixote’ von Richard Strauss noch nie dirigiert habe. Das will ich ziemlich bald ändern. Aber ehrlich gesagt: Es macht keinen Spaß, auf Vorrat etwas zu studieren. Im Gegenteil: Es ist hochgradig frustrierend.
Umso wichtiger ist somit das Bruckner-Projekt?
Ja, denn da gibt es konkrete Perspektiven, da wissen wir, was wir tun und für wen wir es tun. Und all das dann auch noch mit den Wiener Philharmonikern – das ist ein Geschenk, das ich sehr gerne annehme.
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