Diesen Faust muss man sehen

Mephisto (Jens Claßen) hat seinen Faust (Julian Loidl) irgendwie lieb gewonnen.
Der beste "Faust" seit langem: Die Suche nach dem Sinn des Lebens muss ins TAG führen.

Eine schwierige Geburt war dieser "Faust" im TAG. Die erste Premiere von Gernot Plass’ Neuinterpretation wurde kurzfristig abgesagt. Das Warten hat sich gelohnt. Was jetzt geboten wird, hat große Klasse. Gernot Plass, Regisseur und umtriebiger Klassiker-Umschreiber, arbeitet präzise heraus, warum Goethes Faust der moderne Mensch der saturierten westlichen Gesellschaft schlechthin ist. Weiß alles, hat alles und fragt sich ständig: Wozu?

Religion? Drogen? Materielles Gut? Ist alles nichts, befindet auch der Sinnsucher von heute. Und will sich nicht damit abfinden, dass am Ende nichts als der Tod sein soll. Dass Plass sich im Programmheft als "Hysteriker" bezeichnet, ist vielleicht eitel, angesichts dieser atemlosen Textflut aber nachvollziehbar. Rasant paraphrasiert er Faust I, droht Faust II nur an ("Faust II? Bitte nicht!").

Im Schnelldurchlauf erleben wir Schlüsselmomente von Osterspaziergang bis Gretchenfrage. Samt Pudel und dem berühmten kostbaren Augenblick. Nebenbei ein Hauch Wittgenstein und Platon, mit einer Prise Charley’s Tante – Georg Schubert schwingt als Marthe Schwertlein die Perlenkette. Das Ensemble ist großartig, allen voran Julian Loidl als Faust. Jens Claßen betört als Mephisto und ein berührenderes Gretchen als Elisabeth Veit sieht man selten.

KURIER-Wertung:

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