Ob es nun um die ehemalige britische Bürgerkriegsprovinz Nordirland, um den Irak nach der US-Invasion 2003 oder eben um die USA geht, die grundlegenden Probleme sind erstaunlich gleich.
„Anokratie“ ist der Fachbegriff für Staaten, die im Niemandsland zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft gestrandet sind. Die Systeme entsprechen wohl grundlegenden demokratischen Spielregeln, übergehen dabei aber große Teile der Bevölkerung und deren Interessen. Diese sind zwar in einem Staat wie dem Irak ganz anders gelagert als etwa in den USA, das Gefühl aber, das diese Vernachlässigung erzeugt, ist dasselbe: Dieser Staat ist nicht unser Staat, er ignoriert unsere Bedürfnisse.
Walter untersucht eingehend, warum sich gerade in den USA immer mehr Menschen von der Demokratie verabschiedet haben und diese nur noch als fremdes System irgendwelcher Eliten wahrnehmen. Gerade die Angst von Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als Absteiger ohne Hoffnung für ihre Zukunft wahrnehmen und diese Angst nirgendwo vernünftig artikulieren können, sei ein Nährboden für Gewalt, so Walter.
Die US-Regierungen aber seien nach dem 11. September so auf den Terrorismus fixiert gewesen, der von außen ins Land getragen würde, dass sie nicht realisiert hätten, wie systemisch die Entwicklung eines heimischen Terrorismus von rechts längst war. Überall in der westlichen Welt unterschätze man diese Bedrohung für unsere Demokratien.
So hellsichtig und präzise Walter in ihrer Analyse der Faktoren für einen Bürgerkrieg ist, so ratlos wirkt sie in ihren Ansätzen, dem entgegenzuwirken. Ihre Ideen für eine Wiederbelebung einer Demokratie, von der sich ein Großteil der Bürger tatsächlich als Teil fühlt, sind naheliegend und nachvollziehbar. Im Gegensatz zu den präzisen Betrachtungen der zerstörerischen Kräfte wirken sie aber etwas neunmalklug. Man müsse die Qualität von Wahlen so verbessern, dass Menschen wieder auf das Ergebnis vertrauen. Das ist, gerade in Anbetracht des Rechtspopulismus im Westen, etwas zu kurz gegriffen.
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