Auch nur ein Mensch, der Obersturmbannführer

Auch nur ein Mensch, der Obersturmbannführer
Kritik. "Die Wohlgesinnten" im Schauspielhaus.

Ein Kriegsverbrecher erzählt von seinen Taten. Das ist, kurz gesagt, die Handlung von Jonathan Littells Skandalroman „Die Wohlgesinnten“, den Antonio Latella nun im Schauspielhaus auf die Bühne gebracht hat. Das Aufregerpotenzial liegt darin, dass der jüdische Autor aus der Perspektive des SS-Obersturmbannführer Maximilian Aue erzählt und ihn nicht als Monster, sondern als Menschen zeichnet.

Die Schauspieler haben große Textmassen zu bewältigen, und auch den Zuschauern verlangt dieser Abend einiges ab. Dreieinhalb Stunden brauchen Latella und Federico Bellini für die Dramatisierung des 1380- Seiten-Wälzers. Die meiste Zeit davon wird stakkatoartig geredet, einen Großteil davon sitzend im Sesselkreis. Statt Naziuniformen tragen die drei Darsteller übergroße Anzüge. Im Hintergrund ist eine Parklandschaft projiziert. Als einzige Requisiten dienen Klavierhocker sowie ein großer Scheinwerfer, der von einem Sänger (Maurizio Rippa) herumgeschoben wird und das Publikum blendet.

Thiemo Strutzenberger erzählt als Max Aue vom Krieg. Das Groteske: Das Grauen der Kriegsverbrechen trennt er kühl vom Rest des Lebens, als hätte das alles nichts mit ihm zu tun: „Krieg ist Krieg und Schnaps ist Schnaps“, ist ein Schlüsselsatz.

Latella schafft Parallelen zur griechischen Tragödie, die auch in der Romanvorlage angedeutet werden. Aue steht darin als Orest zwischen seinem Freund Thomas Hauser als Pylades (Streffen Höld) und seiner ihm in inzestuöser Liebe verbundenen Zwillingsschwester Una als Elektra (Barbara Horvath). Die privaten Seiten der Weltkatastrophe. Ein anstrengender Abend.

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