Die Sky-Serie zum Fall Straches: "Ibiza war nur das vorläufige Ende“
In den vergangenen Jahren gab es in Österreich eine Konstante: Immer wieder schlugen – wie auch zuletzt – politische Bomben ein, die vieles auf den Kopf stellen.
Zentralgestirn dieses Skandal-Universums ist die Affäre um das im Sommer 2017 entstandene Ibiza-Video, das am 17. Mai 2019 bekannt wurde und FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Fall brachte. Seitdem beschäftigen sich Ermittlungen, U-Ausschüsse, heimische wie internationale Beobachter mit der Materie.
Die filmische Aufarbeitung hat längst begonnnen, bisher in Form von Dokus. Nun ist das erste fiktionale Projekt zum Thema zu begutachten: Die vierteilige Mini-Serie „Die Ibiza-Affäre“, die ab Donnerstag auf Sky Atlantic läuft und auch gestreamt werden kann.
Die Macher im Zentrum
Die Serie beruht auf dem Buch „Die Ibiza-Affäre: Innenansichten eines Skandals“ von zwei Ibiza-Aufdeckern, den SZ-Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Das Drehbuch von Stefan Holtz und Florian Iwersen wurde vor allem in Bezug auf die Drahtzieher der Ibiza-Falle um fiktionalisierte Szenen erweitert.
Denn Regisseur Christopher Schier (siehe Interview rechts) wählte sie als zentrale Perspektive: Anwalt Ramin M. (David A. Hamade) und Detektiv Julian H., mit Wiener Zungenschlag gespielt von Nicholas Ofczarek.
„Wir erzählen keine Heldengeschichte“, sagt Ofczarek. „Eigentlich haben wir es nur mit Verlierern zu tun. Das Ernüchternde daran: Geniale Masterminds sind wahrscheinlich beide nicht. Da hat sich was verselbstständigt, über Jahre. Für mich ist diese Profanität das Schlagende an der ganzen Sache. Mit perfekter Inszenierung hätt’s vielleicht gar nicht funktioniert.“
Gezeigt wird etwa, dass im Rahmen eines Anbahnungstreffens mit Strache-Adlatus Johann Gudenus keine Speicherkarten in den Kameras eingelegt waren.
Profan erschien den Mitwirkenden auch der Originalschauplatz des Ibiza-Videos, der für die Dreharbeiten genutzt werden konnte. „Das war ja keine Villa“, erzählt Ofczarek, „das sind fünf Garagen, die aneinander gebaut waren und durchgebrochen wurden. Irgendwo am Berg, kein Blick aufs Meer. Alles sehr einfach und sehr klein.“
Finca als Baustelle
In der Serie ist zu sehen, dass H. und die falsche Oligarchin (die russische Schauspielerin Anna Gorshkova) noch den Gartenbereich aufgeräumt haben, der – weil die Finca offenbar zum ersten Mal vermietet wurde – einer Baustelle glich. „Deshalb wahrscheinlich auch der Dreck unter den Fußnägeln bei der Oligarchin“, vermutet Ofczarek, „die haben bis zehn Minuten, bevor der Strache gekommen ist, aufgeräumt.“
Dass Strache zwischendurch argwöhnisch die mangelhafte Maniküre erwähnte, wird auch in der Serie thematisiert. Cosima Lehninger, die Tajana Gudenus verkörpert, erzählt: „Da wurde getrickst, weil Anna ja wunderschöne Füße hat. Die kaputten Zehennägel wurden aufgeklebt.“
Lehninger berichtet außerdem: „Beim Dreh auf Ibiza haben wir uns gewundert, dass man damals nicht misstrauischer war. Diese Räume waren so klein und unspektakulär. Wir hatten Probleme, das ganze Equipment dort zu verstauen.“
"Ich kann nicht eine Rolle spielen und der Meinung sein, ich mach’ jetzt ein Arschloch daraus.“
Alles nachgebaut
Für Andreas Lust, der Heinz-Christian Strache spielt, war es dennoch „ein besonderes Gefühl“, dort zu drehen. „Alles ist noch im Original vorhanden. Nur den Teppich musste man ausrollen. Ansonsten steht dort jeder Stuhl so, wie damals verlassen.“
Julian Looman, der Johann Gudenus verkörpert, sagt: „Es wurde alles nachgebaut, die ganzen Getränke waren millimetergenau aufgestellt Du bist da drin und erlebst diesen Abend noch einmal komplett. Man sieht H.C. sitzen, man sieht Julian H. sitzen. Dann steigt man in diesen Zug und ist wie in Trance. “
„Es ist ein Stück österreichischer Boden in Spanien. Da kommt wahrscheinlich irgendwann eine Gedenktafel hin“, ergänzt Lust im Scherz. Der Aufgabe, Strache nicht zur Karikatur werden zu lassen, widmete er sich allerdings mit großer Ernsthaftigkeit. Lust: „Ich habe auf Wiederwahl gespielt, auf 34 Prozent. Anders geht es ja gar nicht. Ich kann nicht eine Rolle spielen und der Meinung sein, ich mach’ jetzt ein Arschloch daraus.“
Für ihn bleiben Strache und Gudenus in der Serie aber „Stellvertreterfiguren. Es wird ein Sinnbild für Politik im Hinterzimmer entworfen und das ist allgemeingültiger als diese einzelne, popelige, konkrete Geschichte.“
Für Looman heißt das auch allgemein: „Kennen wir das Ende? Nein, wir kennen nur das vorläufige Ende.“
Dieser Eindruck verstärkt sich in den aktuell wieder heißen politischen Zeiten umso mehr – die Interviews wurden vor den jüngsten Hausdurchsuchungen geführt.
Regisseur Christopher Schier im Gespräch über sein bisher größtes Projekt.
KURIER: Die Ibiza-Affäre ist sehr gut dokumentiert. Was kann eine fiktionale Serie da noch hinzufügen?
Christopher Schier: Bei „Titanic“ wusste man auch, dass sie am Ende untergeht, trotzdem wollte jeder den Film sehen. Wir haben versucht, aus dem Ganzen ein großes Puzzle zu machen. Du fügst verschiedene neue Stücke hinzu, um ein Gesamtbild zu kreieren.
Was hat Sie an dem Stoff am meisten gereizt?
Bei all den Fallstricken, die es gab, hätte viel früher wer Stopp sagen können, aber es ist nie passiert. Am Anfang war das Ziel nicht ein Ibiza-Video. Sie wollten sie nur bei etwas Illegalem erwischen. Ohne eigentlich zu Beginn zu wissen, bei was eigentlich. Hätten das erste Material über Strache, dass im Besitz des Anwalts war, Abnehmer gefunden, hätte es das Ibiza-Video vielleicht nie gegeben. Aus einem kleinen Kieselstein ist einer der größten Skandale der jüngeren österreichischen Innenpolitik entstanden. Das finde ich unglaublich.
Welche Grundaussage war Ihnen wichtig?
In Wahrheit haben in der Serie am Ende alle verloren. Du kannst dir als Zuschauer aber selbst ein Bild machen, ob es richtig war oder nicht. Es geht um die Verantwortung von Politikern. Egal, ob das strafrechtlich relevant war – es war moralisch relevant. „Er ist sechs Stunden lang sitzen geblieben“ – das ist der einzige Satz in der Serie, der wertend ist.
Welche Figur war am schwierigsten zu besetzen?
Strache. Das Schlimmste wäre gewesen, hätten wir uns über ihn lustig gemacht.Strache. Das Schlimmste wäre gewesen, hätten wir uns über ihn lustig gemacht. Es ging weniger um optische Ähnlichkeit. Es braucht Akribie und Ernsthaftigkeit, die Andreas Lust mitbringt. Und Spielfreude, mit der er die DNA der Figur verinnerlicht hat und zum Leben erweckt.
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