Die scheue Rock-Feministin

Kim Gordon als Teenager: Sie mochte die Canyons von L.A., liebte den Sound und den Look von Joni Mitchell und Marianne Faithfull
Die "Sonic Youth"-Mitbegründerin blickt zurück– tapfer und ein wenig traurig

"Als wir an diesem Abend zu unserem letzten Konzert auf die Bühne kamen, drehte sich alles nur um die Jungs."

Der Satz, mit dem dieses Buch beginnt, wirkt so irreführend wie sein Titel: "Girl in a Band". Denn Kim Gordon ist so viel mehr als ein "Mädchen in einer Band".

Sie ist Avantgarde-Musikerin, bildende Künstlerin, feministisches Rockidol. Ihre Skepsis gegenüber der Vermarktung von Weiblichkeit war stets glaubwürdig, das "Girl in a Band" ist durchaus auch ironisch zu verstehen. Die von Gordon und ihrem damaligen Lebensgefährten Thurston Moore gegründete Gruppe Sonic Youth war eine der einflussreichsten Indie-Bands der 80er und 90er und Kim Gordon war ihr Star. Und doch zeigt sich die 61-jährige Künstlerin in ihrer Autobiografie nicht als "Superwoman". Sie wirkt kämpferisch und verletzlich, tough und scheu zugleich. Ihr Herz sei gebrochen, schreibt sie. Dass dieses Buch mit jenem letzten Konzert beginnt, das am Ende von 30 Jahren Sonic Youth stand, kurze Zeit, nach dem die fast ebenso lange Ehe mit Thurston Moore in die Brüche gegangen war, unterstreicht diese Verletzlichkeit.

Ein Denkmal

Hier erzählt ein Denkmal des Indie-Rock und zugleich eine Frau, die ihrer Teenie-Tochter vom Ende der Ehe ihrer Eltern erzählen muss, bevor diese es im Internet herausfindet. Gordon und Moore galten als das Traumpaar des Rock ’n’ Roll, ihr Eheleben spielte sich zum Teil auf der Bühne von Rock-Stadien ab. Als sich die beiden 2011 nach 27-jähriger Ehe trennten und Sonic Youth sich auflöste, waren Tausende Fans dabei und begruben die Hoffnung, es könne ein Paar geben, das die irrwitzige Welt des Rock ’n’ Roll unversehrt überleben würde. Am Ende scheiterten sie ganz banal: Midlife-Crisis und eine andere Frau. Als sie nun den uralten Song "Brave Men Run" spielen, geschrieben am Beginn ihrer Beziehung, beginnt ihre Stimme zu brechen, sie dreht sich weg, niemand soll ihr Gesicht sehen. "Ich glaube, ich habe mich noch nie so einsam gefühlt". Daran, die Tournee abzubrechen, ist nicht zu denken: Schließlich müssen die College-Gebühren für Tochter Coco bezahlt werden.

Hier beginnt eine Rückschau in Gordons Leben als Künstlerin, aber auch als Tochter, Schwester, Mutter und Ehefrau. Ein Mittelschichtmädchen aus Südkalifornien, Tochter eines Soziologen (der aussah wie William S. Burroughs) und einer Schneiderin, "schön wie Ingrid Bergman".

Die scheue Rock-Feministin
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Sie erzählt von ihrem Bruder Keller, bei dem später Schizophrenie diagnostiziert wurde, ihrem Jugend-Freund Danny Elfman (heute Filmkomponist) und wie sie nach New York kam, um Kunst zu studieren.

Natürlich geht’s hier in erster Linie um Rock ’n’ Roll. Zu Kurt Cobain hatte sie eine innige Beziehung, Courtney Love kommt wenig überraschend nicht besonders gut weg. Und doch ist diese Biografie auch eine melancholische Reise ins New York der frühen 80er, als die Stadt bankrott war, aber die Clubszene blühte, wo die Kunst am Anfang dessen stand, was später ein "kommerzieller Rausch" werden würde. Wo man "Noise" rehabilitieren und ihn zu Avantgarde machen wollte.

Kim Gordon ist heute Malerin, Performerin und hat wieder eine Band gegründet. Das Familienhaus hat sie verkauft. Sie blickt nach vorn.

Info: Kim Gordon: „Girl in a Band.“ Eine Autobiografie. Aus dem Amerikanischen von Kathrin Bielfeld und Jürgen Bürger. Kiepenheuer &Witsch. 352 Seiten. 20,60 Euro.

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