Die Natur, ein seltsamer Apparat

Myoung H Lee, Tree, 2011
"Visions of Nature" im KunstHausWien zeigt zeitgenössische Fotografie zum Thema Landschaft und Umwelt.

Natur und Fotografie – das ist eigentlich ein Paartanz. Seit das Medium erfunden wurde, richteten Fotografen ihren Blick auf weite Landschaften und hohe Berge, und nicht selten schrieben sich die Eigenschaften des Mediums in die Bilder ein: Etwa die Melancholie, die einen befällt, wenn man erkennt, dass das, was man da sieht, einmal da war und es nun nicht mehr ist.

Dass der Apparat einer industriellen Logik folgt, in der auch die Landschaft Rohstoff ist, gehört ebenso zum zwiespältigen Wesen der Fotografie – man denkt an Carleton Watkins, der im 19. Jahrhundert zunächst den Bergbau in Kalifornien fotografierte, mit seinen Bildern vom Yosemite-Tal dann aber half, die Region als Nationalpark unter Schutz zu stellen.

Unterwerfen & Staunen

"Visions of Nature" im KunstHausWien (bis 18. 2. 2018) ist aber keine fotohistorische Ausstellung – sie zeigt aktuelle Werke und beharrt auf der Aktualität des Themas Natur. Dabei scheint sie mitunter gespalten zwischen dem eher ökologischen Ansatz, Fotografie zur Bewusstseinsbildung über die Umwelt in den Dienst zu nehmen, und einem eher theoretischen Zugang: Bei diesem geht es etwa darum, was eine Fotografie generell zeigen kann oder wo das Bild mehr über sein Zustandekommen als über sein Motiv offenbart.

Die Natur, ein seltsamer Apparat
Axel Hütte, San Fernando de Atabapo, 2007
Die Werke von Axel Hütte und Simone Nieweg, die im ersten Saal der Schau hängen, balancieren exakt an der Grenze: Die beiden Abgänger der sogenannten "Becher-Schule" an der Düsseldorfer Kunstakademie zeigen Waldansichten, bei Hütte spiegeln sie sich im Wasser, tatsächlich steht das Bild Kopf. Nieweg wiederum überhöht die vordergründig unspektakulären Waldblicke durch exaktes Detail: "Ich möchte den Betrachter verlangsamen und glaube, dass das auch eine andere ökologische Haltung mit sich bringt", sagt die Künstlerin.

Schön, ja. Aber.

Dass genaues Schauen tatsächlich Sorgfalt im Umgang mit der Welt zur Folge hat, klingt zwar fast zu schön, um wahr zu sein – dass künstlerische Verfahren den Fokus lenken und den Blick schärfen können, wird aber in der Schau doch eindrücklich belegt. Der südkoreanische Künstler Myoung Ho Lee erhöht etwa die Bildwürdigkeit seiner Landschaftsansichten, indem er eine Leinwand hinter einzelnen Bäumen aufspannt; Der Brite Darren Almond zeigt einige mit extremer Langzeitbelichtung bei Vollmondlicht aufgenommene Bergpanoramen. Er kratzt damit die Kurve zur Medienreflexion: Das Bild, das die Kamera erzeugte, wird das menschliche Auge in freier Natur auf dieselbe Weise nie zu sehen bekommen.

Die Natur, ein seltsamer Apparat
Darren Almond, Fullmoon @Cerro Chalten
Kann also ein technisch erzeugtes Bild jemals "Natur" sein? Es ist eine Frage, die diese Ausstellung in dringlicherer Form stellt, als es eine Schau klassischer Naturfotografie in der Tradition eines Ansel Adams jemals könnte.

Denn nicht nur die Technik ist ausgefeilter, auch die Natur ist technischer geworden: Das zeigen die imposanten Großformate von Mathias Kessler, die etwa den Erzberg im Licht extrem leistungsfähiger Film-Scheinwerfer zeigen, oder die Mikroskopaufnahmen von Andreas Duscha, die Mineralien zeigen, die erst durch menschliche Einwirkung neu entstanden. Einfach nur die Landschaft knipsen, das geht heute nicht mehr.

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