Die Kunst zur Filterblase

Hertog Nadler, Stimmt, Fotografie, Detail der Zeitung The Monograph, 2006, Copyright: Hertog Nadler\r
Populismus, Wutbürgertum, Big Data: Die kluge Schau „Mood Swings“ im MQ Wien reflektiert Aktuelles.

Wo Kunst „politisch“ ist, wird oft Unmenschliches von ihr verlangt: Sie soll am besten die Welt verändern, soll packend, spektakulär, aber auch kritisch sein – wenn ein Kriterium unerfüllt bleibt, wird ihr rasch Zahnlosigkeit attestiert.

Dabei ist das Ästhetische nun mal das Terrain der Kunst, und oft müssen ihre Akteure gar nicht mehr tun, als einen Spiegel hochzuhalten, in dem deutlich wird, wie „das Politische“ heutzutage eigentlich aussieht. Die Schau „Mood Swings“ im Freiraum Q21 im Wiener MuseumsQuartier (bis 28.5., Eintritt frei), tut genau das: Mit wenigen, aber geschickt gewählten Kunstwerken gelingt es hier, innezuhalten und die Kräfte in der politischen Arena mit Distanz zu betrachten.

Populismus, abstrakt

Die Kunst zur Filterblase
Tom Molloy, PROTEST, 2012, Installation, cut paper and photographs; Courtesy: Lora Reynolds Gallery, Austin, Texas; Foto: Genevieve Hanson
Für Kuratorin Sabine Winkler sind Emotionen der elementare Baustein von Prozessen in Politik und Wirtschaft: Die Stimmungen werden mit ästhetischen Mitteln geschürt und mit technischen Mitteln nutzbar gemacht.

Den Blick dafür schärfen in der Schau etwa die Fotos und Videos der Künstlerin Christina Werner, die eine Kundgebung der Identitären, einen Wien-Besuch von Geert Wilders oder eine Veranstaltung der polnischen Regierungspartei PiS aus ungewöhnlichen Perspektiven abbildete und damit die Gleichförmigkeit, aber auch die visuelle Kraft der Polit-Bewegungen hervorstreicht.

In eine ähnliche Richtung gehen die fast ornamental-abstrakten Umsetzungen von Börsen-Grafiken von Femke Herrengraven oder der Beitrag von Tom Molloy, der aus gedruckten Fotos aus dem Netz einen Miniatur-Protestzug aufbaute: Die teils extremen Botschaften der Abgebildeten kommen aus unterschiedlichsten ideologischen Ecken, was allen gemein ist, ist der Grad der Empörung.

Norbert im Wahlkampf

Das Künstlerduo Hertog Nadler nutzte die Ästhetik des Populismus bereits 2004 für eine eulenspiegelartige Pseudo-Kampagne: Einer der Künstler warb als „Norbert Nadler“ mit dem Slogan „Stimmt“ – was seine politische Botschaft eigentlich war, blieb auf der Strecke. Quasi als Nachsatz zur Aktion bauten Hertog Nadler für die MQ-Schau nun ein Rednerpult, das auf Knopfdruck eine zufällige Politiker-Rede voller hohler Phrasen abspielt – Möchtegern-Populisten können hier schon mal trainieren.

Die Kunst zur Filterblase
Xavier Cha, Still aus Abduct, 2015, Copyright: Xavier Cha
Der digitalen Vermessung und Verwertung von Emotionen ist ein weiterer Schwerpunkt der Schau gewidmet – herausragend ist hier etwa die Arbeit „Emotion Hero“ des Niederländers Ruben van de Ven, die auch als App downgeloadet werden kann. Das Programm erkennt Gesichtsausdrücke und gibt vor, sie – in Anlehnung an das Spiel „ Guitar Hero“ – auch trainieren zu können.

Mit Rückmeldungen wie „Sie wirken nicht überrascht genug, heben Sie ihre Oberlippe noch um 0,75% mehr nach oben“ entlarvt die App den Nutzen der totalen Quantifizierung aber bald als überzogene Versprechung. Und so hallt am Ende der Schau die Botschaft nach, dass der Mensch der Manipulation nicht hilflos ausgeliefert ist.

Kommentare