Die Josefstadt blickt wieder in menschliche Abgründe

Die Josefstadt blickt wieder in menschliche Abgründe
Das Theater in der Josefstadt zeigt ab 19. September wieder Ibsens "John Gabriel Borkman". Ein Fest grandioser Schauspieler.

Ein Bankier, der die Gelder seiner Kunden verspekuliert , der dafür ins Gefängnis muss und auch nach seiner Entlassung keinerlei Einsicht zeigt, sondern sich zum Opfer einer (Jagd-)Gesellschaft hochstilisiert. Viel aktueller könnte Henrik Ibsens Drama "John Gabriel Borkman" gar nicht sein. Doch Ibsen hat keinen Wirtschaftsthriller geschrieben, sondern ein Psychogramm menschlicher Abgründe quasi mit der Rasierklinge seziert.

Für das Theater in der Josefstadt hat Regisseur Elmar Goerden im Bühnenbild von Ulf Stengl und Silvia Merlo das Stück subtil und mit grandiosen Schauspielern in Szene gesetzt. Goerden vermeidet vordergründige, platte Aktualisierungen, betont das Zeitlos-Gültige dieses Stoffes und zeigt den fesselnden Untergang eines einstigen Machtmenschen.

 

Narr

Helmuth Lohner spielt diesen tief gefallenen Borkman, der sich in selbst gewählter Isolation verkriecht, mit einer unglaublichen Intensität. Er gibt einen alten, gescheiterten Mann, der an den Narren in Shakespeares "König Lear" erinnert. Lohners Borkman, das ist einer, der sich frei von Schuld wähnt, dessen Gebilde an Lebenslügen aber immer mehr in sich zusammenfällt, der stets an der Grenze zum Wahnsinn balanciert.

Duell

Und Lohner ist von einem brillanten Ensemble umgeben, das Ibsens Drama mitunter sogar eine heitere, leichte Note verleiht. Wenn Borkmans Frau Gunhild (die fabelhafte Nicole Heesters) mit ihrer Zwillingsschwester Ella (eine Ausnahmeerscheinung: Andrea Jonasson) in den nicht nur verbalen Infight geht, nimmt das beinahe hinreißend-groteske Züge an. Denn das Duell zwischen Heesters und Jonasson ist schlicht furios.

Auch die übrigen Protagonisten brillieren in jeder Phase: Martin Bretscheider ist Borkmans Sohn, der aus der familiären Tristesse von der jungen Witwe Fanny befreit wird. Maria Köstlinger darf als Fanny hier mit einer Schimpftirade ihre skandinavischen Wurzeln zeigen. Ein darstellerisches Kabinettstück gelingt Heribert Sasse als Borkmans letzter verbliebener Freund. Sasse macht die scheinbar kleine Rolle des Foldal zu einer ziemlich großen. Raphaela Möst fügt sich in das Schauspieler-Fest perfekt ein.

"Borkman": Die Daten und Fakten

Stück Henrik Ibsen schrieb "John Gabriel Borkman" 1896 in Kristiania, dem heutigen Oslo. Beeinflusst wurde er von einem realen Fall, der damals die Gesellschaft beschäftigte. Ein bekannter Offizier war wegen Betrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden und kapselte sich nach seiner Entlassung hermetisch von der Außenwelt ab.

Doppel-Uraufführung Das Stück wurde anfangs im Rahmen von Lesungen präsentiert. Erst am 10. 1. 1897 gab es zwei Uraufführungen: Eine am Finnischen Nationaltheater, eine andere am Svenska Teatern. Beide wurden positiv aufgenommen.

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