"Die gefesselte Phantasie": Ein Puppentheater im Riesenformat

Verderben droht: Larissa Fuchs (Königin), Eduard Wildner (Nachtigall) und Johannes Krisch (Narr)
Man muss an Fitzcarraldo denken, der von großer Oper im Dschungel träumte. Denn Johannes Krisch, der neue Intendant der Raimundspiele (und Klaus Kinski von der Intensität her gar nicht so unähnlich), war von der Idee beseelt, in Gutenstein Welttheater machen. Mit dem 88-jährigen Gesamtkunstwerker Achim Freyer. Auf einer Wiese in einem Bierzelt.
Das muss man sich erst einmal trauen, wenn es so gut wie kein Equipment gibt, keine Scheinwerferbatterien und keine computergesteuerte Bühnentechnik. Doch das Unmögliche möglich zu machen: Das dürfte Achim Freyer gereizt haben, auch wenn das Stück – „Die gefesselte Phantasie“ – eher der müde Abklatsch eines „Original Zauberspiels“ ist.
Es gibt zumindest eine gewisse Aktualität: Der friedlichen Blumeninsel Flora, auf der man sich der Poesie hingibt, drohen Krieg und Verderben. Eben noch hatte Freyer seine Farbklecks-Bilder auf die drei riesigen Projektionsflächen geworfen, nun taucht er alles in düsteres Schwarzweiß, auch den Gazevorhang an der Rampe.
Zwei böse Zauberschwestern durchkreuzen die Pläne der Königin, die noch heute jenen Mann ehelichen will, der das schönste Gedicht verfasst: Sie nehmen die Göttin der poetischen Phantasie gefangen – und schicken den Ungustl Nachtigall ins Rennen, den sie flugs in einem Wiener Wirtshaus aufgabeln. Der Liedermacher, ein liederliches Leben führend, ist konkurrenzlos. Denn auch Amphio, in den die Königin verliebt ist, fällt nichts ein.
Ferdinand Raimund erzählt also ein Märchen für Erwachsene. Und Freyer macht aus der klug gekürzten Vorlage ein geradezu archaisches Puppentheater im Riesenformat: Die prächtig kostümierten Schauspieler gleiten, wie von Zauberhand geführt, stabpuppenartig über die schwarz ausgekleidete Bühne, das Gesicht oder die Maske immer dem Publikum zugewandt: Kein einziges Mal treffen sich Blicke.
Klipp-Klapp-Krüge
Wer sich auf diese sehr abstrakte Form einlässt, wird mit liebevollen Details belohnt: Die Schleppe der säuselnden Königin scheint kein Ende zu haben, in der Wirtshausszene fließt das Bier in Klipp-Klapp-Krüge. Eduard Wildner begeistert als Nachtigall, Tini Kainrath könnte als poetische Phantasie ruhig mehr singen. Krisch führt als Narr, kurz den fantasievollen Poeten André Heller nachahmend, durch den Abend.
Bei der Verbeugung nach der Premiere am Mittwoch brach er in Tränen aus: Freyer war Stunden zuvor wegen einer Bronchitis ins Krankenhaus eingeliefert worden. Möge er bald gesunden!
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