Um ihre Vertreibung zu verhindern, nehmen die bösen Schwestern Vipria und Arrogantia die Inspiration gefangen. Was zur Folge hat, dass niemand mehr mit einem betörenden Gedicht die Königin für sich gewinnen kann. Und weil dann alle in Frage kommenden Männer fliehen, hat der herbeigebeamte Wiener Harfenist namens Nachtigall zunächst leichtes Spiel.
Krisch grübelte lange, wer den Stoff kongenial umsetzen könne, und kam schließlich auf Achim Freyer: „Er ist der Merlin des Theaters!“ Die Lösung lag allerdings nahe. Denn im Sommer 2021 inszenierte Claus Peymann für die Kammerspiele der Josefstadt „Der König stirbt“ von Eugène Ionesco in einem Bühnenbild von Freyer. Und Krisch spielte mehrere Rollen. Bei der Premierenfeier Ende September fragte er den 1934 in Berlin geborenen Theatermacher.
Freyer fing sofort Feuer: „Ich konnte den Text nicht mehr weglegen.“ Aber wie soll sich Gutenstein einen solchen Meister leisten können? Krisch begab sich auf Geldsuche – und scheiterte. Nach drei Wochen rief er Freyer an: „Es geht sich leider nicht aus.“ Worauf dieser geantwortet habe: „Das geht nicht. Ich arbeite ja schon daran.“
Freyer kam Krisch entgegen – und ließ sich auf das Abenteuer ein. „Die gefesselte Phantasie“ ist sein erster Raimund – und gleich „das schwerste Stück“. Er zitiert Nachtigall: „,Der zweite Teil ist immer schlechter als der erste.‘ Das sagt er, als er die Zauberschwestern sieht. Und das gilt auch für das Stück, das muss man erbarmungslos sagen.“ Also könne man in der Pause gehen? „Nein! Denn da, wo man am meisten kämpfen muss, erzielt man auch gute Ergebnisse. Ich bin überzeugt, dass der zweite Teil besser wird als der erste!“
Premiere ist am 13. Juli, gespielt wird bis 7. August. Als Besucher taucht man in den lebensbejahenden Freyer-Kosmos ein. Denn schon vor dem Theaterzelt wird man von bunten Skulpturen begrüßt: Der Sponsor Baumit hat sie, von Freyer modelliert, digital vergrößert und mit einem 3D-Drucker in Beton gegossen. Auch das Zelt hat Freyer bemalt – Mitte März im Rahmen von drei wilden Aktionen vor Publikum.
Der alte Herr, agil wie ein Junger, erklärt: „Diese Skulpturen führen das Publikum in das Zelt, in dem die gleiche Atmosphäre herrscht. Wilde Malerei, die an Vögel, Blumen, Natur erinnert. Und dann gibt es den Hass und den Neid. Wie erbärmlich die Welt aussieht ohne Fantasie! Das alles ist für einen Theatermacher reizvoll: Darüber zu erzählen – vom tiefsten Elend bis zur äußersten Euphorie. Also ein Welttheater zu machen. Mit ungewöhnlichen Mitteln.“
Denn die Bühne, über der ein Raimund-Porträt von Freyer schwebt, ist nicht sehr tief – und ohne Finessen: Es gibt keine Züge, keine Versenkungen. Zudem lassen die Finanzen keine aufwendigen Effekte zu. Es gilt also, „karges, pures, armes Theater zu machen“, das trotzdem gefangen nimmt. Mit viel Fantasie. Freyer erweckt zum Beispiel Luftballons zum Leben.
Larissa Fuchs, die Frau von Krisch, spielt die Königin, Tini Kainrath die poetische Phantasie. Und Krisch den Nachtigall? Nein, sagt der Intendant: „Ich hab’ kurz überlegt, denn das, was der Nachtigall von sich gibt, ist schon sehr schön. Aber es geht sich kräftemäßig nicht aus.“ Er musste ja das ganze Equipment organisieren. Eduard Wildner wird daher in einer Doppelrolle zu sehen sein.
Dass in der Folge auch das Burgtheater „Die gefesselte Phantasie“ herausbringt (Ende März 2023, Regie und Bühne: Herbert Fritsch), bereitet ihm eine gewisse Genugtuung. Denn Krisch verließ die Burg, als der neue Direktor kam – und fand dann Heimat in der Josefstadt: „Ich bin dort sehr glücklich.“
Kommentare