Die Forschungsreisen von Gerhard Roth ins Innere sind zu Ende

August 2021: Gerhard Roth in der Veranda seines Winzerhauses in der südlichen Steiermark.
Der Erzähler starb 79-jährig nach schwerer Krankheit in seiner Heimatstadt Graz. Er verfasste als Chronist monumentale Zyklen

Die letzte Begegnung mit Gerhard Roth, dem großen Chronisten, fand am 1. August 2021 statt – in Kopreinigg bei St. Ulrich, wo er längst zum „Heimatdichter“ geworden war. Denn vielfach hatte er die südsteirische Landschaft und ihre Menschen beschrieben. Der einst stattliche Mann saß in der Veranda des alten Winzerhauses, die Hände gefaltet, und war nur mehr ein Schatten seiner selbst.

Krankheiten und Verletzungen hatten sein Leben bestimmt. „Ich hatte 15 oder 16 Mal einen Gips. Knöchelbruch, Kreuzbandriss, Armbruch. Als Kind bin ich mit dem Schaukelpferd in der Laube vom Gartentisch gefallen und hab’ mir den Ellbogen ausgerenkt. Ich hatte zwei schwere Gehirnerschütterungen. Aber ich war bei all den Verletzungen nüchtern. Betrunken ist mir nie was passiert“, erzählte Roth einmal. „Mit 15 Jahren bekam ich als Fußballtormann einen Tritt in die rechte Niere. Seither ist sie vier Fingerbreit gesenkt.“

"Sterben ist leicht"

Bereits mit 21 Jahren hatte Roth einen Herzstillstand. „Und der letzte Gedanke war: Sterben ist leicht.“ Sein Vater, ein Arzt, hat ihn gerettet. „Das Fenster stand offen. Und das Erste, was ich nach dem Aufwachen hörte, war ein Motorengeräusch. Ein Auto hielt an, die Tür wurde zugeschlagen. Jemand sagte: ,Heute war ein schöner Tag. Wir sehen uns! Servus!‘ Das gab mir Kraft. Sogleich hatte ich den Wunsch, gesund zu werden.“

Roth ließ sich nie unterkriegen. Auch in den letzten Jahren nicht. Trotz Schienbeinbruch, Lungenembolie, Bandscheibenvorfall, Magenoperation. Das Schreiben war ihm immer die größte Hilfe: „Zuerst habe ich meine Krankheit akzeptiert – und kurz darauf wieder weitergearbeitet.“ Er hatte immer Projekte: Sie trieben ihn an, und er brauchte sie, um nicht zu verzweifeln. So war es auch im Hochsommer 2021. Roth hatte erst kürzlich seinem Verlag, S. Fischer, das Manuskript „Die Imker“ geschickt.

 

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