Die Entscheidung Lueger-Denkmal: Schieflage mit schiefer Optik
Man glaubt es kaum: Das umstrittene Denkmal für Karl Lueger wird tatsächlich demontiert. Aber nur, um es mit „unglaublich viel Geld“ – so die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler – zu restaurieren. Denn mit Farbe beschüttet und mit „Schande“-Schriftzügen besudelt: Das gereicht dem glorreichen Bürgermeister doch nicht zur Ehre!
Das Vorhaben dauert viele Monate: Allein für den Abbau veranschlagt man zwei bis drei und für den Abtransport vier bis sechs Wochen. In dieser langen Zeitspanne könnte man vielleicht zur Erkenntnis gelangen, dass wir diese Heldenverehrung gar nicht brauchen. Doch dann dürfte es zu spät sein: Die Baufirmen werden bereits die Eingriffe durchgeführt haben. Denn für die „Kontextualisierung“ – Neigung von Statue und Marmorsockel um 3,5 Grad – ist eine Stärkung „des Kerns“ notwendig, wie Martina Taig, die Geschäftsführerin von Kunst im öffentlichen Raum, bei der Präsentation des Vorhabens am Mittwoch ausführte.
Bei Goethes „Faust“ ist bekanntlich Mephisto, also der Teufel, des Pudels Kern. Und was ist Luegers Kern? Der Antisemitismus? Der Bürgermeister hasste die Juden aus tiefstem Herzen (außer sie waren ihm nützlich). Aber nein! Das Denkmal braucht eben einen besonders gestählten Kern, um den Stürzungsversuchen widerstehen zu können. Er darf nicht stürzen, nur leicht kippen.
Doch wohin kippt dieser Lueger überhaupt? Nach links (von seiner Warte aus)? Oder nach rechts? Jedenfalls nur in eine Richtung. Was zur Folge hat, dass man von den meisten Blickpunkten aus keine Schieflage bemerken können wird.
Vor 13 Jahren hatte die Angewandte einen internationalen Wettbewerb für das Denkmal veranstaltet, den der damalige Angewandte-Student Klemens Wihlidal für sich entschied. Sein Vorschlag war damals auf der Höhe der Zeit. Er wurde aber von der Stadt nicht realisiert, weil der Wettbewerb der Angewandten nicht „demokratisch legitimiert“ gewesen sei. Nun aber, nach vielen Jahren des Zauderns und Zögerns, gab es einen angeblich „demokratisch legitimierten“ Wettbewerb. Die Optik ist aber zumindest genauso schief, wie es die Lueger-Statue sein wird: Die Sprecherin der Jury, Eva-Maria Stadler, ist die Vizerektorin der Angewandten – und gewonnen hat mit Wihlidal ein Ex-Student der Angewandten. Von Befangenheit überhaupt keine Spur?
Hinzu kommt, dass Wihlidal seinen Vorschlag von 2010 nicht überarbeitete. Doch die Zeit ist eine andere geworden. Und ein harmloses Kippen ist nicht mehr die Antwort. Denn die Frage ist jetzt, wie man den Antisemitismus von Lueger darstellen kann (ohne den Bürgermeister völlig zu verteufeln). An der Statue wird man das nicht ablesen können. Man wird daher die Packungsbeilage studieren müssen. Auch das ist nicht die richtige Antwort. Denn keiner wird kurz parken, um ein Hinweisschild zu lesen, auf dem notiert sein wird, dass die Statue, auf die man in der Stadt furchtbar stolz sei, von einem späteren NS-Künstler geschaffen wurde (dieser Hinweis fehlt wider besseren Wissens auf der gegenwärtigen Tafel).
Und es stellt sich noch eine Frage: Ist Wihlidals Vorschlag wirklich der beste? Die Stadt hält ja leider nichts von Transparenz: Am Mittwoch wurde lediglich das siegreiche Projekt vorgestellt. Erst in drei Wochen für fünf Halbtage (19. bis 23. Juni von 14 bis 19 Uhr) darf man sich die anderen Beiträge anschauen. Ihr Tratschpartner wird sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen.
Kommentare