Die dunkle Seite der Kunstwelt

Rekord-Picasso „Les Femmes d’Alger“: 1997 in Offshore-Besitz.
Scheinfirmen, Zollfreilager, diskrete Deals: Die Enthüllungen zeigen Kunst, wie sie nur wenige sehen.

Es brauchte einen Raubkunstverdacht, damit die Staatsanwaltschaft sich Zugang verschaffte: Am Freitag wurde laut Medienberichten das Zollfreilager in Genf von den Behörden durchsucht und ein Modigliani-Gemälde beschlagnahmt. Der Anlass war eine Panama-Papers-Enthüllung. Damit öffnete sich ein kleines Fenster zur undurchsichtigen Seite des globalen Kunstmarkts: Ein System von Lagern und Offshore-Firmen, bei dem der Verdacht der Steuervermeidung und Geldwäsche schnell zur Hand ist. Unzweifelhaft ist: Das verzweigte System erschwert, dass Kunst öffentlich ausgestellt wird.

Raubkunst-Verdacht

Das beschlagnahmte Bild, "Sitzender Mann" (1918) stammt von Amedeo Modigliani. Es soll dem jüdischen Sammler Oscar Stettiner von den Nazis geraubt worden sein; sein Enkel prozessiert seit Jahren in den USA gegen die mächtige Kunsthändler-Familie Nahmad. Diese stand stets auf dem Standpunkt, das Bild gehöre gar nicht ihr, sondern der Firma "International Art Center" (IAC) mit Sitz in Panama. Das Rechercheteam des International Council of Investigative Journalists (ICIJ) stellte nun fest: "Die Familie Nahmad hat die Firma (...) seit mehr als 20 Jahren kontrolliert."

Die Nahmads, die angeblich eine der größten Picasso-Sammlungen weltweit besitzen, sind gute Kunden des Genfer Zollfreilagers. Der Economist schätzte 2013, dass sich Kunst im Wert von rund 100 Milliarden US-Dollar in dem Hauptgebäude befindet; Alfred Weidinger, Vizedirektor des Belvedere und die zentrale Autorität für Gemälde von Gustav Klimt, erklärte in einem KURIER-Interview, das Lager sei "nach dem Belvedere die zweitgrößte Klimt-Sammlung der Welt".

Wo Kunst primär als Wert-Speicher dient, sind Zollfreilager ein beliebter Aufbewahrungsort: sicher, diskret und unbürokratisch.

Das Business boomt, auf den großen Kunstmessen bewerben Anbieter ihre Dienste. Schauräume für die edle Ware, in denen Objekte auch rasch die Besitzer wechseln und wieder verräumt werden, gehören zur Ausstattung der Lager dazu.

Dass dabei auch Geld gewaschen und Steuern vermieden werden könnten, weist die Firma "Le Freeport", die topmoderne Gebäude in Singapur und Luxemburg betreibt, von sich: Zölle, Vermögens- und Mehrwertsteuern seien im Lager lediglich "aufgeschoben" – wenn der Besitzer ein Werk schließlich mitnehme, sei er den Bestimmungen seines Heimatlandes unterworfen, heißt es auf der Website des Unternehmens. Verschwiegen wird aber, dass manche Kunstwerke im Lager mehrmals Besitzer wechseln und sich gewissermaßen im Dauer-Transit befinden.

Supersauber?

Zollfreilager würden auch inventarisiert, die Inventare und Kundeninformationen seien Behörden zugänglich, argumentiert Le Freeport – nur sind die Kunden mitunter eben hinter Briefkastenfirmen versteckt.

Le Freeport gehört übrigens zum Imperium des Unternehmers Yves Bouvier, der in den Panama Papers als Betreiber von mindestens fünf Briefkastenfirmen aufscheint. Er ist in komplexe Rechtsstreitigkeiten verwickelt, u. a. weil er den russischen Milliardär Dmitri Rybolowlew – Inhaber zweier Briefkastenfirmen bei Mossack Fonseca – bei Kunstverkäufen um Millionen US-Dollar geprellt haben soll. Auch das Klimt-Hauptwerk "Wasserschlangen II" ging 2013 laut New Yorker über Bouvier an Rybolowlew, dieser zahlte 183 Millionen US-Dollar.

Preisbildung

Öffentliche Auktionen erscheinen vor dem Hintergrund solcher Insider-Geschäfte zunehmend als Theater, in dem ein Stück namens "Preisbildung" aufgeführt wird: Was im Auktionssaal bezahlt wird – und in der Folge in Preis-Datenbanken abrufbar ist – ist primär ein Richtwert für die Beträge, zu denen Werke im Zollfreilager gehandelt werden.

Geheimer Deal

Dass der Auktionsmarkt seinerseits Offshore-Firmen nutzte, zeigen die "Panama Papers" ebenfalls. So kaufte eine Briefkastenfirma den Erben des Sammler-Paares Victor und Sally Ganz 1997 Hauptwerke ihrer Eltern ab und brachte sie wenig später bei Christie’s zur Versteigerung. Hinter der Briefkastenfirma stand der Milliardär Joseph Lewis, zu jener Zeit auch ein Haupt-Anteilseigner bei Christie’s. Von der Auktion, bei der zahlreiche Rekordpreise erzielt wurden, profitierte er so gleich mehrfach.

Ein Bild in der Auktion war übrigens Picassos "Les Femmes d’Alger – Version O", das den damals sensationellen Preis von 31,9 Millionen Dollar einbrachte. Das Ehepaar Ganz hatte es 1941 um 7000 Dollar gekauft. Im Mai 2015 wurde das Werk erneut versteigert – mit 179 Millionen Dollar wurde es das offiziell teuerste Bild der Welt.

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