Diagonale: Im Bett mit Rainhard Fendrich

Rainhard Fendrich (li.) und Hanno Pöschl in der Ganoven-Klamotte "Coconuts“
Bilanz: Die 20. Ausgabe des Filmfestivals brummt, ein Pop-Special findet Fendrich und Ambros im Kino.

Der Zauber des Anfangs ist nicht vorbei. Die Intendanz des Diagonale-Duetts Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber ging heuer ins zweite Jahr, doch der Schwung des Neubeginns ist auch in der Konsolidierungsphase gut spürbar.

Zwar nannte sich eines der Rahmenprogramme, die sich konsequent durch die Filmauswahl rankten, "Wen interessiert’s?" Doch selbst, wenn österreichische Filme nicht selten in den heimischen Kinos verhungern, so ließ sich seitens des Publikums kein Desinteresse anmerken. Im Gegenteil. Die Kinos brummten, die Leute strömten zu den Hauptprogrammen ebenso wie zu den innovativen Filmreihen und dem Pop-Special.

Letzteres nannte sich "1000 Takte Film" und suchte nach Pop-Motiven im österreichischen Kino – eine Spurenlese, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln vom Österreichischen Filmmuseum, Filmarchiv Austria und dem ORF-Archiv vorgenommen wurde. Der Bogen spannte sich von Dieter Berners Hansi-Lang-Melodram "Ich spiele Leben" über Niki Lists New-Wave-Manifest "Malaria" bis hin zu Stefan Ruzowitzkys Techno-Thriller "Tempo".

Eiszeit

Als wunderbarer Fund aus dem Wien von 1983 erwies sich Wolfgang Strobls Studentenfilm "Eiszeit", der in der ORF-Serie "Metternichgasse 12" gezeigt worden war. Ein Konzertbesuch in Linz bei den "Einstürzenden Neubauten", punkige Kids, die im Wiener U4 zu DAF den Jesus Christus tanzen, ein junger Erhard Busek, der über die Jugend schwadroniert: Er selbst sei im U4 aufgewachsen, erzählt Wolfgang Strobl im Anschluss an die Vorführung. Man sei in Lokalen wie dem "Ring" herum gestanden und hätte mit niemandem geredet. Ein Anlass, das Schweigen zu brechen und "Eiszeit" zu drehen – unter Androhung des Rauswurfs seitens der Filmakademie.

Die Außenperspektive auf die Wiener Musikszene der 90er Jahre liefert Egon Humers wunderschöne schwarz-weiß-Doku "The Bands" (1993), in der das verschneite Wien den Kälte-Charme einer Ostblock-Zentrale versprüht. Zwischen Independent-Rock und Metal, vermisst Humer eine blühende, sehr männliche Musikszene, besucht Konzerte im Flex und der Arena und lässt brüllende Burschen im Anschluss an ihre Auftritte brav ihre Texte erklären.

Diagonale: Im Bett mit Rainhard Fendrich
Fehlschuss mit Wolfgang Ambros
Der Versuch, berühmte Wiener Popstars in österreichische Spielfilme einzubauen, findet sich in kuriosen Arbeiten wie "Fehlschuss" (1976) von Rainer Boldt: Wolfgang Ambros in seiner einzigen Hauptrolle spielt einen jungen Arbeiter mit Fußballtalent, der den Durchbruch nicht schafft. Wenn überhaupt, besticht "Fehlschuss" durch seine Schauplätze in der Vorstadt oder wenn Hanno Pöschl mit spitzem Knie den Rock’n’Roll tanzt. Weitgehend aber handelt es sich dabei um verspießtes Heimatfilmkino im Fifties-Arbeiter-Look.

Pöschl ist es auch, der in Franz Novotnys unsäglicher Strizzi-Klamotte "Coconuts" (1985) in Italien eine Bank überfällt. An seiner Seite agiert Rainhard Fendrich als Schauspiellehrer Bosch, ein "affektiertes Tuntchen", wie Gangsterbosstochter Vera feststellt. So schwul ist Bosch dann aber doch wieder nicht und lässt sich von Vera verführen. Einmal singt Fendrich auch, im Obdachlosenheim.

Bei der Filmvorführung auf der Diagonale wälzte sich das Publikum am Boden vor Lachen. Tatsächlich benötigt "Coconuts" den kollektiven Rausch, sonst hält man es nicht aus. Wie gut, dass es Filmfestivals gibt.

Der große Diagonale-Preis des Landes Steiermark (21.000 €) geht an Lukas Valenta Rinners zweiten Spielfilm "Die Liebhaberin". Rinner erzählt in seiner eigenwilligen Gesellschaftssatire von einer Hausangestellten in Buenos Aires, die sich einer Gruppe Nudisten anschließt. Diese leben nahe einer Reichensiedlung und praktizieren die freie Liebe, schrecken aber auch nicht vor dem bewaffneten Kampf zurück.

Der große Diagonale-Preis für beste Doku (21.000 €) geht an Ivette Löckers verwundbares Elternporträt "Was uns bindet" und berichtet aus der Perspektive der Tochter von der gescheiterten Beziehung der Eltern. Löcker schafft es dabei hervorragend, Nähe mit der nötigen Distanz zu verbinden, um in ihre Familienaufstellung Komik und Tragik gleichermaßen einfließen zu lassen.

Als bester innovativer Film (9.000 €) wurde Katrina Daschners vergnügliche Erotik-Fantasie "Pferdebusen" prämiert. Daschner befühlt Oberflächen und sucht sie nach ihrem Lustgewinn ab. Das beginnt bei der Leinwand, die sich in einen flirrenden Vorhang verwandelt, oder dem Fell eines Pferdes, dessen Mähne locker über ein glühendes Auge fällt. Schließlich schmiegt sich ein nackter Busen in den Sattel – "Pferdebusen", eben.

Den Diagonale-Schauspielpreis (je 3.000 €) erhielt Philipp Hochmair für sein intensives Spiel in Händl Klaus’ "Kater". Verena Altenberger wurde für ihre Rolle als Heroin süchtige Mutter in Adrian Goigingers "Die bester aller Welten" ausgezeichnet.

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