Der deutsche Schauspieler Steffen Link führt in seinem ersten Stück „Der Verein“ mit einem fulminanten Text vor, wie das funktioniert. Ein Schauspieler (exzellent Maximilian Thienen) tritt vor den Vorhang, beginnt mit einer gewissen Lockerheit seinen Vortrag über die Entstehung der Welt. In einem Sog kommt er vom Big Bang zum Türklingelschild eines Reihenhauses in der Gemeinde Pfingstheim bei Darmstadt. Der Vorhang öffnet sich. Da ist klar: Der Schauspieler ist Stefan, der auf seine Kindheit zurückblickt. Als Kommentator führt er durchs Geschehen. Zurück zur Idylle, die jedoch nur eine scheinbare ist.
Minutiös legt Link die Spuren zum Coming-out seiner Figur, macht die Qualen dieser jungen Knabenseele spürbar, stellt dieses orientierungslose Individuum einer kompakten Mehrheit gegenüber. Diese ist die Gemeinde, der titelgebende Verein.
Regisseurin Theresa Thomasberger führt das vielköpfige Ensemble präzise auf Mirjam Schaals klug aufgebauter Bühne. Rechts die Wohnküche, im Hintergrund ein mit schwarzem Plastik ausgelegter Abgrund, links die Bühne für Kollektiv und Band. Zwei Welten prallen da aufeinander.
Seelenabgründe
In knappen Szenen werden Seelenabgründe aufgerissen. Bescheidene Menschen versammeln sich zum Chorsingen und zum Gebet. Das klingt harmlos, bis sie wie aus einem Mund einer Führerfigur bestätigen: „Wir sind die Geleiteten“. Man spürt deren bedingungslose Hingabe, sie glauben, Peter, so heißt der Führer, wurde von Jesus dazu berufen, sie zu leiten.
Nach und nach wird dessen autoritäres Regime offengelegt. Stefan aber stellt klar, hier finden keine körperlichen Übergriffe statt, hier geht es um die Psyche. Gespielt wird vom gesamten Ensemble ausgezeichnet. Tala Al-Deen zeigt den jungen Stefan brillant. Sissi Reich sticht als Tassila hervor. Sophia Löffler zeigt die Mutter, die alles verharmlosen will. Ein Glanzstück legt Iris Becher mit dem Monolog einer Frau vor, die sich ihrem Wahn hingibt. Sie ist es, die am Ende das Regime des Sektenführers benennt: „Natürlich war das Missbrauch“. Das Publikum jubelte zurecht.
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