Der Soundtrack für die Schöne-Leute-Party

Sieben Jahre hat es gedauert bis zu Justin Timberlakes Comeback-Album. Es ist mehr schön als spannend.

Ja, so kann es einem gehen im Popbusiness: Macht man mal schlappe sieben Jahre kein Album, ist man beim Comeback plötzlich der „andere“, der zweite Justin.
Also nicht Bieber, sondern Timberlake.
Ja, das war jetzt ein bisschen gemein. Der ehemalige Teeniestar Timberlake, 32, wird musikalisch natürlich weitaus ernster genommen als der aktuelle Teeniestar Bieber – und zurecht: Timberlakes eben erschienenes Album „The 20/20 Experience“ ist hochinteressante Kost.
Nur beim Charme hapert es ein wenig.

Obwohl Timberlake extrablendend aussieht im Anzug. Das aktuelle Outfit seiner Wahl besingt er in „Suit & Tie“. Auch die Musik hat sich wieder auf Hochglanz herausgeputzt und ruft – im Timberlake’schen Falsett – „Seht her, ich bin erwachsen geworden“: Kühler, künstlicher Popsoul mit selbstsicherer Attitüde. Schließlich ist man jetzt neureich an Lebensweisheit und kann sich Songs leisten, die großteils länger als sieben Minuten dauern. Geradzu episch für die Twitter-Generation.

Erlebt hat Timberlake inzwischen wahrlich viel: Er hat in mehreren Filmen und im Fernsehen geschauspielert, Mode gemacht – und arbeitet daran, die längst begrabene Musikplattform Myspace.com mit künstlicher Beatmung wieder zum Leben zu erwecken.

Und ist damit im realen Leben weit spannender als auf CD.
Der ehemalige ’N Sync-Boygroup-Bub Timberlake ist auf seinem Comeback-Album lieber souverän als emotional: „The 20/20 Experience“ ist eine koffeinfreie, extragroße, tiefgekühlte Melange, bedächtig zusammengerührt aus Motown-Sound, Disco, Prince, Michael Jackson, den gesamten Nuller-Jahren – und Timberlake als Extra-Milchschaum.

Ohne Schweiß

Der Soundtrack für die Schöne-Leute-Party
cover
Timberlake bittet zum Tanz, aber bitte nicht schwitzen, das verdirbt den Anzug. Knackige Rhythmen, leicht anlassige Texte und Hintergrunduntermalung für die Schöne-Leute-Party bestimmen die Songs (herausragend: „Tunnel Vision“). Künstliche Beats treffen auf Gitarrenfunk und Soul-Bläsersätze; das Ganze wird dann durch HipHop gesiebt und auf Pop geschminkt.

Leider macht „The 20/20 Experience“ auch klar: Aussehen („20/20“ steht für perfekte Sehkraft) alleine macht nicht dauerhaft zufrieden. Es könnte eine jener CDs werden, bei denen man immer erst aufschreckt, wenn sie aus sind.

KURIER-Wertung: *** von *****

"Suit & Tie featuring JAY Z"

Kommentare