Der Sheriff-Witzbold verliert sich in der Plattenbau-Wüste

Siedlungs-Kid (Simon Zagermann), Kindfrau (Barbara Horvath), Ermittler (Florian von Manteuffel)
Kritik: "Noch ein Lied vom Tod" im Schauspielhaus: Verwahrloste Kinder brauchen keinen wilden Westen.

Ein zerzauster Ermittler – Sakko und Dienstmarke sind in der Putzerei – verliert sich in einer ihm fremden Plattenbauwelt. Dort will er erfahren, wer schuld daran ist, dass zwei Buben in ihrer Wohnung verdursten mussten, weil die junge überforderte Mutter sie dort 14 Tage lang eingesperrt hat. Die Mutter, findet Ermittler Udo, der die Frau im Gefängnis besucht hat, sei jedenfalls kein böser Mensch.

Ein bisschen fühlt sich das an wie ein "Tatort", einer von den besseren. "Noch ein Lied vom Tod" heißt das Stück der 29-jährigen Autorin Juliane Stadelmann, das auf einem wahren Fall beruht, der sich 1999 in einer Frankfurter Wohnhausanlage abgespielt hat. Zwei Wochen dauerte das Martyrium zweier Kleinkinder, niemand will sie schreien gehört haben.

Stadelmann hat aus diesem Drama ein weitgehend überzeugendes, gut gebautes Erzählstück gemacht – dem es bei der Premiere am Freitag dennoch an Dynamik fehlte. Regisseurin Daniela Kranz, die auch für die Ausstattung zuständig ist, hat die Plattenbausiedlung, in der sich Cop Udo wie in einem Computerspiel verliert, als schräge Fläche nachgebaut, aus der die Köpfe der Protagonisten auf- und abtauchen. Es sind verwahrloste Kinder, versoffene Bestatterinnen, resignierte Kneipenwirte und zurückgebliebene Kindfrauen. Dargestellt von einem wie immer starken Ensemble, hätte deren Geschichte ohne zwangsoriginelle Western-Parallele mehr überzeugt. Einen Kaktus hätte dieser "Sheriff-Witzbold" eines Ermittlers (wunderbar: Florian von Manteuffel) nicht gebraucht. Eine Verdichtung hätte mehr Dynamik gebracht.

KURIER-Wertung:

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