Es geht auch noch um den Mordprozess des Läufers Oscar Pistorius, der stark auf unterschiedlich interpretierten Geräuschen aufbaute, und um Häftlinge im syrischen Foltergefängnis Saydnaya, denen häufig die Augen verbunden wurden. Sie machten sich nur auf Basis akustischer Eindrücke – etwa Schreien am Ende eines Ganges – ein Bild des Kerkers.
Hamdan, 1985 geboren, hat solche „Ohrenzeugnisse“ ins Zentrum seiner künstlerischen Arbeit gestellt. Er kooperiert dabei mit Amnesty International und anderen Organisationen, die sich mit der Rekonstruktion von Verbrechen befassen, bei denen Sprache und Bilder versagen.
2019 war er damit für den Turner Prize, die wichtigste Auszeichnung für in Großbritannien lebende Kunstschaffende, nominiert. Hamdan (im Bild unten 2. v. li.) teilte sich den Preis mit den drei anderen Nominierten.
Hamdans Anliegen, akustische Erinnerungen auch in juristischem Kontext auf solidere Basis zu stellen, hat einen politischen Aspekt. Doch es geht stets auch um die philosophische Frage, was der Mensch auf welcher Basis wissen kann.
In zwei weiteren Arbeiten in der Secession verlässt Hamdan dazu das akustische Feld und begibt sich auf fast esoterisches Terrain: Zu sehen ist eine Sammlung an Muttermalen, die im Glauben mancher belegen, dass ihre Träger durch das Band der Reinkarnation verbunden sind. Auch der Film „Once Removed“ ist unheimlich: Darin interviewt der Künstler einen Historiker, der davon überzeugt ist, dass er in seinem früheren Leben in der libanesischen Befreiungsarmee kämpfte und mit 16 Jahren ums Leben kann. Seine Darstellung wirkt schlüssig – und doch sind die Beweismittel „unzulässig“.
Info: Die Schau von Lawrence Abu Hamdan ist bis 14.3. 2021 zu sehen, gemeinsam mit einer Ausstellung von Till Megerle. Ab 19. 2. präsentiert die Secession im Hauptraum Bilder der Malerin Tess Jaray.
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