Urteil: Sechs Jahre Haft für Oscar Pistorius

Ihm drohten bis zu 15 Jahre Haft: Ein Gericht in Südafrika den früheren Sprintstar Oscar Pistorius zu sechs Jahren verurteilt.

Der südafrikanische Ex-Sprinter Oscar Pistorius ist wegen Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Richterin Thokozile Masipa verkündete am Mittwoch in Pretoria das Strafmaß gegen den 29-Jährigen, der seine Freundin Reeva Steenkamp im Februar 2013 durch die geschlossene Toilettentür erschossen hatte. Der unterschenkelamputierte Sportler beteuert, er habe sie mit einem Einbrecher verwechselt.

Urteil: Sechs Jahre Haft für Oscar Pistorius
Oscar Pistorius reacts during the third day of his resentencing hearing for the 2013 murder of his girlfriend Reeva Steenkamp, in the North Gauteng High Court in Pretoria, South Africa June 15, 2016. REUTERS/Alon Skuy/Pool
Mit ihrem Urteil blieb die Richterin deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 15 Jahren Haft. Masipa entschied, dass die "mildernden Umstände schwerer wiegen als die belastenden Faktoren". In erster Instanz war Pistorius im Oktober 2014 wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Jahr später wurde er in den Hausarrest entlassen.

Pistorius akzeptiert Urteil

Pistorius will nicht in Berufung gehen. "Wir respektieren die Entscheidung von Masipa (...) und Oscar wird die Strafe absitzen", sagte Anwalt Andrew Facett vor Journalisten. Mit ihrem Urteil blieb die Richterin deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 15 Jahren Haft. Ob die Staatsanwaltschaft ein letztes Mal in Berufung geht, war zunächst nicht bekannt.

Masipa war zunächst auf das Gutachten zum Gesundheitszustand des beidseitig unterschenkelamputierten Läufers eingegangen. Auch die teils tragische Lebensgeschichte war ein Thema. Pistorius habe in seinem Leben unter großer Verlustangst gelitten, und auch Gewalt erlebt.

Urteil: Sechs Jahre Haft für Oscar Pistorius
South African Paralympic gold medalist Oscar Pistorius (foreground) takes his place in court during the third day of hiss hearing at the Pretoria High Court for sentencing procedures in his murder trial in Pretoria on June 15, 2016. The final witness was due to appear at Oscar Pistorius's sentencing hearing on June 15 as the paralympic athlete awaits a new jail term for murdering his girlfriend Reeva Steenkamp three years ago. / AFP PHOTO / POOL / SIPHIWE SIBEKO
Seit der Scheidung seiner Eltern habe er sehr an seiner Mutter gehangen. Sie habe ihrem Sohn vorgelebt, wie sie ihre Ängste durch Waffenbesitz kompensierte. Es habe einige Zwischenfälle mit Gewalt und Waffengebrauch in dem Haushalt gegeben. Pistorius selbst habe einen Waffenschein und gelte als temperamentvoll.

"Gebrochener Mann"

Seit dem Vorfall sei er ein "gebrochener Mann" und leide unter psychischen Problemen. Binnen der vergangenen zwei Jahre habe sich das jedoch durch Aggressions-Workshops und Therapien gebessert. Sein Leben werde jedoch "nie wieder das Alte sein".
Pistorius hatte seine Lebensgefährtin 2013 durch die geschlossene Badezimmertür seines Hauses erschossen. Nach seinen Worten war es ein Versehen, weil er hinter der Tür einen Einbrecher vermutet habe. Doch die Staatsanwaltschaft unterstellte ihm Absicht.

Die Verkündung des Strafmaßes muss noch nicht das Ende des Justizdramas um den einst gefeierten Olympia-Teilnehmer sein, dem im Alter von elf Monaten beide Unterschenkel amputiert wurden und der trotzdem bei den Olympischen Spielen in London 2012 als erster Behindertensportler gegen andere Spitzensportler antrat.

Urteil: Sechs Jahre Haft für Oscar Pistorius

14. Februar: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

15. Februar: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius ein Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

19. Februar: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

20. Februar: Die Polizei teilt mit, dass in Pistorius' Wohnung Spritzen und Testosteron als Doping-Substanz gefunden wurden. Das Kosmetikunternehmen Clarins setzt eine Werbekampagne mit dem unterhalb der Knie amputierten Ausnahmesportler aus.

21. Februar: Nike stoppt die Zusammenarbeit mit Pistorius.

22. Februar: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

14. April: Presseberichte erscheinen, nach denen Pistorius am 6. April in zwei Lokalen in Johannesburg mit Freunden gefeiert hat.

2014

25. Februar: Das Gericht entscheidet, dass im Saal gefilmt werden darf, aber nicht während der Aussage von Pistorius. Tonaufnahmen sind gestattet.

3. März: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört.

10. und 13. März: Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

7. bis 15. April: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche. Er bleibt dabei, dass er zwar geschossen hat, jedoch nicht wusste, dass sich Steenkamp in der Toilette aufhielt.

30. Juni: Nach sechswöchiger Unterbrechung, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe übereinstimmend, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig war.

11. September: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

12. September: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

21. Oktober: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

10. Dezember: Zulassung der Berufung.

2015

19. Oktober:Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

3. November: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes.

3. Dezember: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

2016

Urteil: Sechs Jahre Haft für Oscar Pistorius
3. März:Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

15. Juni: Der Angeklagte tritt vor Gericht auf seinen Beinstümpfen auf, um seine Behinderung zu demonstrieren.

6. Juli: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

Kommentare