Der Heldenplatz, ein schwarzes Loch für Ideen

Der Heldenplatz, ein schwarzes Loch für Ideen
Die Österreichische Nationalbibliothek hat das Projekt eines Tiefspeichers ad acta gelegt. Eine Analyse

Die Österreichische Nationalbibliothek war eine ziemlich verstaubte Institution. Johanna Rachinger, seit Juni 2001 Generaldirektorin, modernisierte sie – in allen Bereichen. Nun ist es geradezu hipp, in den technisch hochgerüsteten Lesesälen zu studieren. Und ihr gelang zum Beispiel die Etablierung des Literaturmuseums. Nur mit einem Projekt ist Rachinger gescheitert: der Realisierung eines neuen Tiefspeichers.

Im September 2004 sprach sie erstmals davon. Der 16.000 Quadratmeter große Speicher unter dem Burggarten, 1992 eröffnet, werde 2010 voll sein. Ein zweiter tue daher Not. Er solle bis 2007 unter dem Heldenplatz errichtet und mehr als doppelt so groß werden.

In einem Aufwasch

Rachinger kämpfte unverdrossen um die Finanzierung und die Zustimmung der Politik, sie legte Gutachten vor, die besagten, dass dieser Tiefspeicher auch aus Klimaschutzgründen weit sinnvoller sei als ein Hochspeicher auf der grünen Wiese. Doch es war eine zache Angelegenheit. Als Triebmittel fungierte schließlich eine Tiefgarage für Busse, die in einem Aufwasch mitgebaut werden sollte. Es gab auch Arbeitsgruppen, die sich mit der Neugestaltung des Platzes inklusive der Nutzung des Burgtors beschäftigte – für die Zeit nach den 2017 errichteten Parlamentspavillons.

Aber nach dem Abgang von Josef Ostermayer, SPÖ-Kulturminister bis zum Mai 2016, gab es niemanden mehr, der das Areal als seine Aufgabe ansah. Und weil auch Gegenspieler Harald Mahrer (ÖVP) ein neues Betätigungsfeld fand, verschwand das von ihm initiierte Haus der Zukunft. Es hätte auf dem Heldenplatz aus Holz gezimmert werden sollen – als Ergänzung zum Haus der Geschichte der Republik.

Eigentlich wollte das Parlament im Sommer 2020 rückübersiedeln. Dann hieß es, dass die Generalsanierung im März 2021 abgeschlossen sein werde. Und nun rechnet man damit nicht vor 2022.

Rachinger aber konnte nicht mehr warten. Und sie wollte nicht länger Provisorien: In Haringsee, 40 Kilometer von Wien entfernt, ließ sie von der Servicegesellschaft „Art for Art“ einen Speicher mit 5.400 Regalmetern errichten. Auf dem Gelände werden auch die Bühnenbilder und Kostüme der Bundestheater gelagert. In den letzten Monaten transferierte man bereits 200.000 Bücher, Zeitungen und Plakate, die digitalisiert sind und daher nur selten in die Entlehnung kommen. Dass die Nachhaltigkeit dabei auf der Strecke blieb, bedauert Rachinger.

Gegenwärtig sitzt die Regierung eine längst fällige Entscheidung über das Haus der Geschichte Österreich aus, das 2018 amputiert in der Neuen Burg eingerichtet wurde. Bis auch dieses sich aufgelöst hat?

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