Es wäre ehrlicher gewesen, hätte man auf das Programm „frei nach Carl Maria von Weber“ geschrieben. Denn für Puristen könnte diese Vermusicalisierung der romantischen Oper leicht zum Ärgernis werden. Kindliche Gemüter aber werden sich an einer sehr gut gemachten Geister-Revue erfreuen. Krähengekrächze leitet das Geschehen auf der liebevoll gestalteten Seebühne ein. Die hat Stölzl in ein winterliches, vom 30-jährigen Krieg zerstörtes Dorf verwandelt. Die schrägen Hauser muten wie aus einem Disney-Märchen an. Der See, der die Bühne umspült, wird als Sumpf genützt, durch den die Protagonisten waten müssen. Auch ein Wasserballett im Stil der Hollywood-Revue-Filme mit Esther Williams ist zu sehen.
Den Auftakt gibt Samiel, als Pfarrer verkleidet, mit einer hinzugefügten Moritat. Er führt einen Trauerzug an. Im Sarg liegt Agathe. Stölzl beginnt mit dem Schluss von Webers literarischer Vorlage aus August Apels Gespensterbuch und erzählt die Geschichte vom Schreiber Max, der sich mit dem Teufel einlässt, damit er die Prüfung als Schütze besteht und die Förstertochter Agathe heiraten darf, als Rückblick.
Happy End
Die Kugel, mit der Max bei seinem „Probeschuss“, so wird die Prüfung genannt, einen Vogel treffen sollte, tötet Agathe. Apel schickt den Todesschützen ins Irrenhaus, Stölzl lässt ihn hängen. Im Rückblick zeigt er seine Fassung der Oper und revidiert das böse Ende, indem er dann doch auf Weber zurückgreift. Ein Eremit (Andreas Wolf) erscheint, holt, wie der königliche Bote in Brecht/Weills „Dreigroschenoper“, Max vom Galgen und führt das Paar zusammen.
Als ständig ironisierender Kommentator schwingt sich Samiel in Gestalt des Schauspielers Moritz von Treuenfels durchs Geschehen. Was der leistet, ist zirkusreif, etwa, wenn er sich auf einen Glockenturm schwingt oder auf der Schnauze eines Ungeheuers à Loch Ness agiert. Diese Überdosis an Show fordert aber ihren Tribut. Webers Musik wird zugunsten von Ingo Ludwig Frenzels Zusatzmusik stark gekürzt. Statt Ännchens Lied vom Kettenhund gibt’s Gebell aus dem Lautsprecher. Ärgerlich, dass Samiel den Gesang stört, etwa beim „Leise, leise, fromme Weise“ der Agathe.
Nikola Hillebrand singt betörend und zeigt die Agathe als selbstbewusste junge Frau, die zwischen Max, von dem sie ein Kind erwartet und ihrer Freundin Ännchen (solide Katharina Ruckgaber), hin und hergerissen ist. Mauro Peter lässt bei seinem Debüt als Max Romantik pur hören, wäre da nicht das Gerede von Samiel. Franz Hawlata ist ein achtbarer Kuno, Christof Fischesser nützt seine Möglichkeiten als Kaspar, Maximilian Krummen lässt als Kilian aufhorchen. Liviu Holender setzt als Fürst Ottokar, der hier wie Ludwig II. von Bayern aussieht, der Stölzl-Show im besten Wortsinn die Krone auf. Im Goldwagen, umringt von ihn verehrenden Damen fährt er vor und baggert Agathe an.
Der Prager Philharmonische Chor und das Stunt-Team leisten Großartiges. Enrique Mazzola führt trotz anfänglicher Mängel der Tonanlage die Wiener Symphoniker gediegen. Sieht man Stölzls „Freischütz“ als Show, wird diese zurecht bejubelt.
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