"Der diskrete Charme der smarten Menschen": Von Bobos für Bobos

Das gepflegte Jungbürgertum beim Seelen-Striptease.
Kritik: Die Schauspieler sprechen Texte, die Originalzitate aus dem smarten Grätzel sind. Ein ätzend-bösartiger Abend.

Im TAG in Gumpendorf saß Mittwochabend eine Gruppe von Menschen und sah sich selbst auf der Bühne. Die meisten waren begeistert.

„Der diskrete Charme der smarten Menschen“ von Ed. Hauswirth („Theater im Bahnhof“) erzählt, frei nach Luis Buñuels „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“, von einer mehr oder weniger dekadenten Runde, angeblich Freunde, die sich im Laufe eines Abends zusehends seelisch entblößen. Bis auf ein paar Albträume, in denen es ums Eltern-Ermorden geht, und Frivolitäten, bei denen das Parfum der anderen unter deren Rock erschnuppert werden soll, hat der Abend wenig von Buñuel. Denn Buñuel meint mit seiner Bourgeoisie eine abgehobene Klasse, die keinen Bezug zur Realität mehr hat. Komisch-grotesk, in Wahrheit aber ungnädig geht er mit jenen ins Gericht, die dem Volk raten,es möge Kuchen essen, wenn es kein Brot habe.

Im TAG meint man nicht die ganz Reichen. Man meint sich selbst. Die Lifestyle-Menschen aus den In-Bezirken, die sich lieber dem Privaten widmen. Einer von ihnen hat eine Oma, die noch SPÖ wählte. Man spricht über sie wie von einem Ausstellungsstück. Wenn hier einer wählt, dann Neos. Aber lieber unterhält man sich über Bio-Bourbon-Vanille. Langsam geht der Plauderabend aus dem Gemütlichkeitsleim. Das gepflegte Jungbürgertum erodiert. Einer will Fußgänger abknallen, eine dreht bei der Diskussion über Ulrich Seidl durch. Nach dem Dessert möchte man noch „berührt“ werden und intoniert die Smiths: „... and if a ten ton truck, crashes into us ...“.

Der Gag daran: Die großartigen Schauspieler sprechen Texte, die Originalzitate aus dem smarten Grätzel sind. Man ist begeistert von diesen Widerlingen auf der Bühne, die einem doch so bekannt vorkommen. Ein ätzend-bösartiger Abend.

KURIER-Wertung:

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