Jubel
Am Ende der zweieinhalbstündigen Premiere im Theater in der Josefstadt gibt es stehend gespendeten Applaus für Johannes Krisch. Die Vermutung sei gewagt: Das Publikum applaudierte nicht nur dem fantastischen Hauptdarsteller, sondern auch sich selbst. Denn wir würden nur zu gerne glauben: So sind wir. So hätten wir uns auch in einer mörderischen Diktatur verhalten: Nicht als Helden, aber doch als Widerständler, bewaffnet mit Wiener Schmäh. Es ist leicht, sich mit Karl Bockerer zu identifizieren, ohne den Wahrheitsbeweis antreten zu müssen.
Das Stück von Ulrich Becher und Peter Preses heute zu inszenieren, ist nahezu unmöglich, weil jeder den Film von 1981 mit Karl Merkatz in der Hauptrolle vor Augen hat. (Regie führte Franz Antel, der übrigens selber ein NS-Mitläufer war.)
Man könnte es mit einem radikalen Zugriff versuchen, die Geschichte einmal ganz anders erzählen, düster, gnadenlos, ungemütlich. Dieses Risiko geht Stephan Müller in der Josefstadt nicht ein. Er inszeniert so konventionell und brav, dass der Schrecken dieser Geschichte fast verloren geht – nach einer besonders „lustigen“ Sequenz gibt es sogar Szenenapplaus. Die furchtbare Familiengeschichte – Bockerers Sohn ist Nazi und fällt in Stalingrad, ein enger Freund wird in Dachau ermordet, ein anderer flüchtet sich in den Alkohol, einweiterer muss in die USA emigrieren – wird wie ein Heimatfilm erzählt.
Schaurig
Erst ganz am Ende, als Bockerer erkrankt und beinahe den Verstand verliert, gewinnt die Inszenierung an Tiefe. Diese schaurigen Szenen geben Martin Zauner Gelegenheit zu einer hinreißenden Hitler-Parodie, die komisch und gleichzeitig schrecklich wirkt.
Was diese Aufführung besonders macht, ist der Hauptdarsteller: Johannes Krisch legt den Bockerer, anders als Karl Merkatz, nicht kraftvoll an, sondern zart, sensibel, verletzlich – eine grandiose Darstellung. In den übrigen Rollen wird anständig gearbeitet – Ulrich Reinthaller als teuflischer, in sich selbst verliebter Gestapo-Mann ist sehenswert.
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