Eines Egoisten großes Solo

Ein ungleiches Paar: Julia Stemberger  als duldende Genia und Joseph Lorenz als  dominierender Hofreiter bei Schnitzlers „Das weite Land“
Arthur Schnitzlers Tragikomödie "Das weite Land" bei den Festspielen Reichenau.

Reichenau und Schnitzler – das ist eine Kombination, die sich in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten mehr als bewährt hat. Und wenn dann noch "Das weite Land" auf dem Spielplan stand, waren meist sogar Sternstunden vorprogrammiert.

Unvergessen etwa Wolfgang Hübsch und Marianne Nentwich als Friedrich und Genia Hofreiter, die sich 1992 im Theater Reichenau das (Ehe-)Leben äußerst hintergründig zur Hölle gemacht haben. Ebenso aufregend: Herbert Föttinger und Petra Morzé, die sich 2004 im Südbahnhotel am Semmering einen zynisch-brutalen Machtkampf geliefert haben. Und nun, 2014, sind Joseph Lorenz und Julia Stemberger an der Reihe. Im Neuen Spielraum und in der Regie von Hermann Beil geht der emotionale Infight in die dritte Reichenauer Runde. Diesmal jedoch mit einem klaren Sieger. Denn "Das weite Land" 2014 ist "Das weite Land" des Joseph Lorenz, der als Friedrich Hofreiter alle Register seines Könnens zieht, der Kraft- und Epizentrum der Produktion ist.

Eindrücke aus "Das weite Land"

Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

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Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

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Eines Egoisten großes Solo

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FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
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Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"
Eines Egoisten großes Solo

FESTSPIELE REICHENAU: FOTOPROBE "DAS WEITE LAND"

Eis und Emotion

Lorenz ist also der Fabrikant Hofreiter. Ein fordernder Charmeur, ein eiskalter Egoist, ein notorischer Fremdgänger, der sich nimmt, was er will. Aber auch ein Mann, der gegen das Altern kämpft. Am Ende, nachdem er Otto, den jüngeren Liebhaber seiner Frau, im Duell erschossen hat, ist er allein. Ganz allein, alt, einsam. Am Ende? Nein!

Wie Joseph Lorenz all diese Facetten ausspielt, nonchalant verbale Ohrfeigen verteilt, nebenbei Frauen verführt und die eigene erniedrigt, um selbst der Erniedrigung zu entgehen – das ist großes Theater, das mit all seinen Zwischentönen auch sehr weh tut und berührt.

Und Genia? Sie ist in Hermann Beils Personen-Arrangement (schön die spartanische Bühne von Peter Loidolt) mehr Opfer denn Gegenspielerin. Julia Stemberger gibt diese spröde Frau, wahrt Haltung in Mimik wie in Gestik, geht nur selten aus sich heraus. Eine Gefangene ihrer eigenen Seele, die ja bekanntlich ein weites Land ist.

Und das (so wichtige) Ensemble? André Pohl gibt als Doktor Mauer (wie schon öfter) einen beeindruckenden Arzt mit Hang zur Leidensfähigkeit; Chris Pichler ist als Hofreiters Ex-Geliebte Adele Natter die kraftvolle Koketterie in Person und nebenbei ein starkes Luxusweibchen.

Johanna Arrouas zeichnet die junge Erna Wahl – auch sie verfällt Hofreiter – nicht als berechnende Lolita, sondern als liebenden Backfisch. Das ist eine Möglichkeit. Gabriele Schuchter als Frau Wahl und Rainer Frieb als Doktor von Aigner dürfen einige komödiantische Elemente einbringen; Eduard Wildner ist als Bankier Natter eine Spur zu ungefährlich.

Wie auch Dominik Raneburger als Otto einen eher braven Schnitzler-Fähnrich gibt, und Elisabeth Augustin als dessen eigentlich glamouröse Mutter (eine Schauspielerin!) eher esoterisch angehaucht wirkt. Ein nur kurzes, aber herrliches Gustostück liefert Miguel Herz-Kestranek (alternierend mit Hannes Gastinger) als jiddischer Portier Rosenstock ab.

Schnitzler in Reichenau 2014 – hier lässt sich noch etwas mehr Land erobern.

KURIER-Wertung:

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