Kunsthallen-Chef Schafhausen: "Das macht mir Angst"

Nicolaus Schafhausen, Kunsthalle Wien
Nicolaus Schafhausen, Direktor der Kunsthalle Wien, über starke Männer, schwache Kunst und gekürzte Subventionen.

KURIER: Ihr Vorgänger, einige Journalisten und Galeristen haben versucht, Stimmung gegen Sie zu machen. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny verzichtete aber darauf, Ihren Vertrag auslaufen zu lassen. Sie bleiben daher bis zum Oktober 2022 Direktor der Kunsthalle Wien. Zufrieden?Nicolaus

Schafhausen: Ich habe es von diesen ich-bezogenen Leuten auch nicht anders erwartet. Es ist ja nicht so, dass ich ohne Job geblieben wäre. Das war dem Kulturstadtrat bekannt. Und natürlich bin ich nicht mit allen Galeristinnen grün. Das ist auch nicht mein Ziel.

Sie bleiben – obwohl die Subvention gekürzt wurde.

Wir mussten Altlasten von der Vorgängerinstitution, dem Verein Kunsthalle, abarbeiten. Und daher immer mit einem geringeren Budget kalkulieren. Und nun haben wir tatsächlich statt 4,05 nur 3,85 Millionen Euro Subvention. Ich finde das nicht gut. Natürlich nicht. Aber wir kommen knapp damit aus, auch weil wir das Team in den letzten Jahren verschlankt, manche Posten nicht nachbesetzt haben.

Auch 3,85 Millionen Euro klingen nach einer respektablen Summe.

Uns wird das immer wieder vorgeworfen. Wir zahlen allein im MQ an die 350.000 Euro Betriebskosten. Rechnen Sie sonstige zwingende Fixkosten und die Personalkosten dazu, bleibt für das eigentliche Programm etwa eine Million Euro. Das ist für das, was von uns zu Recht erwartet wird, nicht gerade viel!

Wie finden Sie die Eingangssituation?

Schrecklich. Wir sind mit der Sichtbarkeit im MuseumsQuartier weit unter unserem Potenzial.

Nicht nur das. Der Zugang erfolgt nun über einen Umweg, den Shop: Man muss gefühlte 200 Meter durch Foyers und Gänge laufen, bis man endlich bei der Kunsthalle angelangt ist.

Die architektonischen Vorgaben sind sehr unbefriedigend. Wir haben uns für die Änderung der Eingangssituation entschieden, um die Sichtbarkeit von außen zu erhöhen. Außerdem führen wir den Shop nun selbst, das bringt uns höhere Einnahmen, und wir bestimmen unser Sortiment selbst. Im Eingangsbereich ist ein Multifunktionsraum entstanden, in dem auch Veranstaltungen und Vermittlungsprojekte stattfinden. Das macht Sinn! Aber ja, es ist ein Kompromiss. Es gibt leider keine andere Möglichkeit. Wir könnten den Haupteingang nach hinten verlegen, aber dann würde man die Kunsthalle überhaupt nicht finden. Ich habe die Vermutung, dass die Kunsthalle – zwischen dem Leopold Museum und dem mumok gelegen – von vornherein als Annex gedacht war. Das merkt man permanent. Es wäre daher viel besser, wenn das Gebäude zum mumok gehören würde. Dann könnte die Kunsthalle woanders hinziehen.

Haben Sie das Mailath vorgeschlagen?

Ich sage es ihm bei jedem Gespräch. Er findet das auch. Hinzu kommt, dass wir außer dem Shop keine multifunktionalen Räume haben – zum Beispiel für größere Veranstaltungen. Ein neuer Standort würde Geld kosten. Wir suchen trotzdem. Mittelfristig braucht die Kunsthalle Wien – das hat nichts mit meiner Direktionszeit zu tun – ein anderes Gebäude. Denn in der gegenwärtigen Form wird sie der Kunst irgendwann nicht mehr gerecht werden können.

Warum?

Auch aufgrund der Digitalisierung wird Kunst anders aussehen. Sie wird enger an die Performance rücken – und daher andere Räume der Präsentation und der Vermittlung benötigen.

Kunsthalle und mumok sind durch einen Tunnel miteinander verbunden. Warum gibt es keine Zusammenarbeit mit Direktorin Karola Kraus?

Nur weil wir beide aus Deutschland kommen? Wir verstehen uns gut, sind aber sehr unterschiedliche Menschen. Wir haben ein anderes Verständnis davon, was Kunst heute bedeuten kann – und wozu Kunst da ist. Eine Ausstellung wie "Painting 2.0" ist in unserem Programm nicht vorstellbar. Die Kunsthalle Wien positioniert sich politisch. Und das mumok argumentiert aus der Kunst heraus. Dass Karola Kraus vor ein paar Monaten indirekt Norbert Hofer ausgeladen hat, rechne ich ihr hoch an.

Sie würden Hofer ausschließen?

Er hat die Kunsthalle noch nie besucht. Wenn er kommt, dann kommt er eben. Die kulturlose Schlichtheit seiner Politik findet sich in unserem Programm nicht wieder. Ich würde mich weigern, mit ihm fotografiert zu werden.

Auch wenn er Bundespräsident werden sollte?

Mit dieser Frage beschäftige ich mich nach dem 4. Dezember. Derzeit lesen Sie auf unserer Homepage: "Zeitgenössische Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr sind ein Wagnis, das nur dann gelingt, wenn sie auch von der Politik mitgetragen wird. In diesem Sinne wünschen wir uns eine/n Bundespräsident/in, der/die die Rolle von Kunst und Kultur innerhalb einer aufgeklärten, toleranten und weltoffenen Gesellschaft nicht nur wertschätzt, sondern auch aktiv unterstützt."

Die Rolle von Kunst und Kultur hängt doch nicht nur vom Präsidenten ab.

Aber die Wahl des Präsidenten ist eine politische Entscheidung mit immenser Symbolkraft. Ich lebe sehr gerne hier, aber ich finde die politische Situation schon jetzt unglaublich anstrengend. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die Hofer wählen. Den Wählern muss klar sein, dass die FPÖ die Vernichter und nicht die Bewahrer der abendländischen Kultur sind. Diese Symbolpolitik, die derzeit betrieben wird, mit der Kornblume: Da wird mir schlecht, aus meiner Sicht ist das rechtsradikaler Dreck. Und dass Kurz & Kern die Rhetorik derart übernehmen, um ihre Wähler nicht zu verlieren: Das macht mir Angst. Da merkt man, wie schwach die seriösen Medien sind, wie schwach auch die Kunst ist. Ihnen gelingt es nicht, Allianzen zu schaffen und diese rechtspopulistische Politik kaltzustellen.

Müsste man als Ausstellungsmacher nicht dezidierter arbeiten?

Wir können nur so dezidiert arbeiten, wie es die Kunst hergibt. Als Kurator spitzt man ja bereits die Sachen zu – und schreibt sie der Kunst ein. Deshalb gab es ja zum Beispiel in der Kunsthalle Wien die Ausstellung "Politischer Populismus". Und deshalb zeigen wir ja ab Ende Mai "How to Live Together". Wir versuchen mit dieser Ausstellung die Zeichen, die wir in den letzten beiden Jahren gesetzt haben, zu intensivieren: Was bedeutet heute Zusammenleben? Da soll es natürlich nicht nur um die Flüchtlingspolitik und die "getrumpte" Polarisierung der Gesellschaft gehen. Das ist schon wesentlich komplexer!

Und davor?

Ab 8. Dezember zeigen wir eine Ausstellung der US-amerikanischen Künstlerin Sarah Morris, die auf ihr filmisches Werk fokussiert, vor allem auf den fantastischen, kapitalismuskritischen Film "Strange Magic" über das LVHM-Imperium, des Branchenführers der Luxusindustrie. Danach, ab 4. Februar, präsentieren wir den deutschen Videopionier Marcel Odenbach, der ziemlich viel über den Holocaust gearbeitet hat. Er überschreibt seine Personale mit dem Titel eines Gedichtes von Ingeborg Bachmann – "Beweis zu nichts". Thematisiert wird der Fortbestand der Opfer-Täter-Struktur in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Danach geht es weiter mit "Mehr als nur Worte [Über das Poetische]". Wir stellen uns die Frage: Warum beschäftigen sich heute so viele Künstler – egal welcher Altersgruppe – mit Text und Poesie? Das ist phänomenologisch interessant. Und am Karlsplatz zeigen wir Camille Henrot, die Gewinnerin des Silbernen Löwen bei der 55. Biennale in Venedig.

Bekommen Sie nun programmatisch Konkurrenz in Wien? Ab Mitte Jänner leitet Stella Rollig das Belvedere.

Ach nein. Wir sind konkurrenzlos. Aber im Ernst: Die Bestellung von Stella Rollig als totales Gegenmodell zu Agnes Husslein-Arco ist schon eine Ansage. Mich hat die Entscheidung dennoch überrascht.

Inwiefern?

Vielleicht wurde Stella Rollig aufgrund ihrer Vorstellungen für das 21er Haus bestellt, das ja das Museum für die österreichische Gegenwartskunst ist oder sein sollte. Beim Belvedere geht es in erster Linie aber nicht um das 21er Haus.

Sondern?

Das Belvedere ist Klimts "Kuss", den man auf vielen Selfies in der ganzen Welt sieht. Es ist ein mediales Aushängeschild für Kunst und Kultur aus Österreich. Ich hätte auf eine internationale Persönlichkeit getippt, die das Kerngeschäft betreibt, die sich der Frage stellt, wie man das Belvedere und damit das Image Österreichs global besser verorten kann. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies den Kerninteressen von Frau Rollig entspricht.

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