Wie grausam und zärtlich die Kindheit ist

volkstheater
In Jacqueline Kornmüllers "Das Kind" erzählen im Volkstheater 30 Experten des eigenen Lebens von Kindheit.

Es sind keine Laiendarsteller, sondern Experten, die in Jacqueline Kornmüllers Stück „Kind“ auf der Bühne stehen. Wer das Stück im Volkstheater (Premiere war am Freitag) gesehen hat, versteht, warum Kornmüller auf dieser Formulierung besteht.

30 Experten des eigenen Lebens erzählen von Kindheit. 6- bis 65-Jährige, die von Liebe, Hoffnung und Gewalt berichten. Während eines sechswöchigen Castings wurden sie von Produktionsleiter Peter Wolf und Regisseurin Jacqueline Kornmüller ausgewählt. Ein Weg, den die Deutsche bereits bei Stücken über das Alter und über Migration wählte.

Menschen aus zwölf Nationen berichten aus ihrem Leben vor einer Kulisse, die nur aus einem überdimensionalen weißen Haus besteht. Das erinnert an Oliviero Toscanis Benetton-Werbekampagnen. Und zwar nicht nur, weil vor dem weißen Hintergrund alle bunt und auf ihre individuelle Art schön sind. Sondern auch, weil vieles, was aus der Kindheit zu berichten ist, von so unfassbarer Grausamkeit ist, dass man den Blick abwenden möchte – so wie bei Toscanis damals umstrittenem Plakat vom sterbenden Aidskranken.

Szenenfotos des Stücks

Wie grausam und zärtlich die Kindheit ist

FOTOPROBE: "DAS KIND" IM VOLKSTHEATER
Wie grausam und zärtlich die Kindheit ist

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Ungeliebt

Günter, 56, berichtet, wie es im Kinderheim war. Wie er vom Erzieher, einem altem Nazi, sexuell misshandelt wurde. Veronica, 60, erzählt vom Vater: „Er hat drei Kinder in die Welt gesetzt, und keiner hat ihn geliebt.“ Einer der schlimmsten, zugleich aber berührendsten Berichte ist jener von Helmut, 44, Krisenpflegevater. Zu ihm kommen Kinder aus akuten Krisensituationen, in einem verheerenden Zustand. „Das kann man sich nicht vorstellen“, sagt er drei Mal. Dann zeigt er mit einem Polster vor, wie er die Kinder in den Schlaf wiegt. Die anderen Darsteller sind beteiligt. Jeder wiegt seinen Polster. Das ist Empathie.

Herzerwärmend auch die Szene, als Silvia, 65, von ihren acht Kindern erzählt. Dabei kommen, einer nach dem anderen, Männer mit Babybäuchen auf die Bühne, wiegen sich sanft zu „La vie en rose“. Zum Schmunzeln ist Nikolai, 22, der von der verzärtelnden Mutter berichtet, die ihn zum Ballettunterricht gezwungen habe. Dabei wird er von Darstellerinnen gekämmt, gezupft, genervt.

Mit auf der Bühne sind auch die Profis Martina Stilp und Annette Isabella Holzmann. Man erkennt sie nicht, wenn man’s nicht weiß. Denn, und das erstaunt besonders: Alle sind so gut! Schade, dass Produktionsleiter Wolf am Schluss übertreibt: Als er vom Tod seines Vaters berichtet, gibt es Geigenmusik und eine zu Boden fallende Feder – das ist zu viel des Guten. Bis dahin ist es ein Abend zum Weinen und die Welt umarmen.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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