Danielle Spera: „Die Frau ist nicht das Anhängsel ihres Mannes“
Danielle Spera hatte schon immer ein Faible für Kunst und Kultur. So schrieb sie zum Beispiel ein Buch über Hermann Nitsch. Und dann, 2010, wechselte sie vom ORF ins Jüdische Museum Wien, das zur Wien Holding gehört.
Ihren Willen zur Veränderung und Modernisierung goutierten nicht alle in der Israelitischen Kultusgemeinde: Man hoffte, dass sich Spera, deren Vertrag zuletzt nur um zwei Jahre verlängert worden war, Ende Juni 2022 in die Pension verabschieden würde. Mitnichten: Die Powerfrau bewarb sich um eine weitere Amtsperiode. Die Presse fand sogleich viele gute Gründe, „warum Danielle Spera das Jüdische Museum weiter leiten soll“, der Standard hingegen konstatierte massive „Vorbehalte“.
KURIER: Sie scheinen zu polarisieren. Worauf führen Sie das zurück?
Danielle Spera: Zunächst einmal stelle ich eine überwältigende Zustimmung fest. Was die Museumscommunity betrifft, habe ich das Gefühl, dass man manchmal Ausstellungen füreinander entwirft. Wir hingegen konzipieren Ausstellungen für unsere Besucherinnen und Besucher, die uns durch ihr Steuergeld finanzieren. Und das ist ganz besonders bei unserem Thema wichtig. Denn unsere Inhalte sind komplex – und gehören daher vermittelt.
Könnte Ihnen weiterhin nachhängen, dass beim Aufbau der neuen Dauerausstellung die Hologramme von Juden entfernt und großteils zerstört werden mussten?
Das war damals ein bewusst inszenierter Aufschrei. Diese Hologramme waren weder wertvoll noch historische Objekte, sondern eine Art der Präsentation.
Sie in die Knie zu zwingen, gelang nicht. Im Gegenteil: Die Dauerausstellung, die Sie mit Werner Hanak realisiert haben, fand breiten Anklang. Die Besucherzahlen sind von 87.400 Besuchern im Jahr 2010, als Sie Direktorin wurden, auf 144.000 im Jahr 2019 gestiegen.
Ja, das ist tatsächlich ein großartiges Zeugnis für unsere Arbeit, unser Team und auch unsere Wechselausstellungen. Denn die Dauerausstellung besucht man vielleicht nur einmal. In unserem Mission Statement ist festgelegt, dass wir uns auf die jüdische Geschichte Wiens fokussieren. Und wir zeigen diese nicht nur an den Standorten Judenplatz und Dorotheergasse: Unsere Ausstellung über Hans Kelsen und die Bundesverfassung wird zunächst im Juridicum zu sehen sein und wandert danach in die Seestadt Aspern. Uns ist wichtig, unsere Inhalte weithin sichtbar zu machen.
Sie zeigen jetzt die Ausstellung „Jedermanns Juden“ (Eröffnung am 13. Juli). Warum?
Man hat, Max Reinhardt ausgenommen, nicht über die zahlreichen jüdischen Protagonistinnen und Protagonisten der Salzburger Festspiele geredet. Daher haben wir auf Anregung von Präsidentin Helga Rabl-Stadler dieses Thema beleuchtet. Die Ausstellung hätte natürlich letztes Jahr anlässlich 100 Jahre Festspiele eröffnet werden sollen. Wir hatten gleichzeitig einen Raum in der großen Festspielausstellung im Salzburg Museum gestaltet. Aber es schien uns nicht sinnvoll, die Ausstellung zwischen zwei Lockdowns zu eröffnen. In Salzburg hat man die Laufzeit aufgrund von Covid auf eineinhalb Jahre verlängert, sie ist also auch heuer noch zu sehen. Das geht bei uns in Wien nicht. Daher zeigen wir unsere Ausstellung jetzt – im 101. Jahr der Festspiele.
Ein außerordentliches Zeichen setzten Sie 2018 mit dem Projekt „OT“: 25 Licht-Stelen von Lukas Maria Kaufmann erinnern seither an Synagogen und Bethäuser, die in der Nacht auf den 10. November 1938 vom NS-Regime zerstört wurden.
Die Licht-Stelen sind nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Was mich besonders freut: Soeben wurde die erste Installation außerhalb von Wien, in Wiener Neustadt, aufgestellt. Ich hoffe, dass viele weitere folgen.
Die Anregung kam eigentlich von einer Besucherin …
In der Ausstellung über die Wiener Synagogen fiel Maria Graff auf, dass es an den ehemaligen Standorten kaum Hinweise auf das Novemberpogrom gibt. Gemeinsam mit ihr und Brigitte Kowanz, die für uns die Lichtinstallation auf der Fassade des Palais Eskeles realisiert hatte, initiierten wir in ihrer Klasse an der Angewandten einen Wettbewerb. Die Studierenden warfen sich mit unglaublicher Verve in dieses Projekt. Durch den Fonds für das Gedenkjahr 2018 erhielten wir für die Realisierung 380.000 Euro. Die Licht-Stelen sollten nun, wie wir finden, in den Besitz der Stadt übergehen.
Wegen der Wartungskosten?
Es fallen praktisch keine an. Wir kontrollieren jeden Monat alle Stelen. Aber wir sind ein Museum, haben andere Aufgaben. Wir sind dazu in Gesprächen mit der Stadt.
Nicht nur Ihre Besucherzahlen sind exzellent: Die Eintrittserlöse stiegen im letzten Jahrzehnt von 167.487 auf 813.519 Euro, die Sponsoringeinnahmen von 57.212 auf 338.895 Euro.
Ich bemühe mich sehr um Sponsoring. Unser Wiener Freundesverein ermöglicht uns schöne Ankäufe, und ich habe einen Freundeskreis in den USA etabliert, der uns enorm unterstützt.
Was wirft man Ihnen daher vor? Mit Martin Engelberg verheiratet zu sein? Weil er in der IKG in Opposition zur Liste Atid von Ariel Muzicant und Oskar Deutsch steht?
Sippenhaftung ist inakzeptabel. Die Frau ist nicht das Anhängsel ihres Mannes. Ich bin ein eigenständiger Mensch. Martin geht seinen Weg, ich gehe meinen.
Sie sind ja auch oft divergierender Meinung. Denn Sie kommen aus der Sozialdemokratie, Ihr Mann ist Nationalratsabgeordneter der VP.
Meine Eltern waren Kommunisten. Dass ihr Schwiegersohn sich für diesen Weg entschieden hat, war für sie ein Schock. Natürlich gibt es politische Debatten bei uns. Aber wir diskutieren mehr über jüdische Traditionen und modernes Judentum.
In der Zeitschrift Wina der IKG liest man nicht viel über das Jüdische Museum. Hängt das mit den Differenzen zwischen Engelberg und Muzicant zusammen?
Ich möchte diesen Schluss nicht ziehen. Dass es keine Berichte über das Jüdische Museum gibt, fällt aber auf. Es steckt enorm viel Arbeit hinter dem Erfolg des Museums. Alle unsere Ausstellungen sind Forschungsprojekte, denken Sie an Richard Wagner und das jüdische Wien oder „Genosse.Jude“ – bis hin zu den jüdischen Kaufhäusern oder den Ephrussis. Wir publizieren neben unseren Katalogen museologische Jahrbücher – zuletzt zum Thema, wie man die Shoah ohne Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vermittelt wird können. Wir arbeiten auch kontinuierlich an der Erschließung unserer Sammlungen. Erst vor Kurzem haben wir eine neue Dauerausstellung für den Standort Judenplatz eröffnet – über das jüdische Mittelalter in Wien. Das war ein mehrjähriges Projekt.
Der "Standard" meinte diskriminierend, Sie hätten das Alter, um in Pension gehen zu können. Warum wollen Sie weitermachen?
Ich hätte für das Jüdische Museum noch viele Pläne, habe etliche Forschungsprojekte initiiert, die in Ausstellungen münden sollen. Etwa über jüdische Mediziner. Ich möchte auch eine Ausstellung über jüdische Zauberer machen – von Erik Jan Hanussen bis zu Harry Houdini. Und wir könnten noch 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Dach des Palais Eskeles gewinnen. In Absprache mit der Stadt Wien und dem Bundesdenkmalamt habe ich bereits eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Das würde ich gerne realisieren.
Zur Person: Danielle Spera wurde 1957 in Wien geboren. Von 1978 an, noch während ihres Studiums der Publizistik und Politikwissenschaften, arbeitete sie für den ORF: in der Auslandsredaktion, als Korrespondentin und schließlich als Moderatorin der „ZiB“. Seit 2010 leitet sie das Jüdische Museum Wien. Zudem ist Spera, verheiratet mit Martin Engelberg, Mitbegründerin und seit 2018 Herausgeberin des jüdischen Magazins „NU“ (für das der Autor dieser Zeilen mitunter unentgeltlich schreibt)
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