Daniel Brühl: "Ein Genuss, unsympathisch zu sein"

Jesper Christensen und Daniel Brühl in Ich und Kaminiski"
Daniel Brühl darf in der Kehlmann-Verfilmung "Ich und Kaminski" ein liebenswertes Ekel sein.

Ein selbstgefälliger, chronisch erfolgloser Journalist setzt sich ich den Kopf, seinen Ruf und sein Portmonnaie durch eine Biografie des Malers Kaminski aufzubessern. Er besucht den greisen Künstler in seinem abgelegenen Alpenrefugium, um ihn von seinem Plan zu überzeugen. Doch der alte Herr spielt sein eigenes Spiel. Wolfgang Becker ("Good Bye, Lenin") hat den Buchbestseller "Ich und Kaminiski" von Daniel Kehlmann als kurzweiliges, höchst amüsantes Roadmovie verfilmt (Kinostart: 25.9.). Daniel Brühl spielt den schmierigen Journalisten Sebastian Zöllner, "Bond"-Bösewicht Jesper Christensen den alten Maler. Daniel Brühl fühlt sich in seiner Rolle des Unsympathlers sichtlich wohl, wie er im Interview im Wiener Hotel Triest zugibt.

KURIER: Ist es schön, einmal nicht den netten Mann von nebenan zu spielen?
Daniel Brühl:
Jaaaaa! Das war wirklich ein großer Genuss. "Good Bye, Lenin!" hatte mit ja seinerzeit den Stempel des nettesten Menschen der deutschen Nation aufgedrückt. Ich habe das in meiner Eigenwahrnehmung nie verstanden. Auch meine Mutter hat gesagt: Also, dass die Leute dich für so sympathisch halten, kann ich nicht nachvollziehen.

Man merkt dem Film an, dass Sie eine große Harmonie und Vertrautheit mit Regisseur Wolfgang Becker verbindet.
Stimmt. Wir sind über die zwölf Jahre, die wir uns kennen, ganz dicke Freunde geworden. Ich bin ja nach "Good Bye, Lenin!" nach Berlin gezogen, weil ich mich in die Stadt während der Dreharbeiten verliebt hatte. Habe mich richtig abgenabelt von meiner Heimatstadt Köln. Und am Anfang hatte ich nicht viele Bezugspersonen, also hielt ich mich an Wolfgang. Er ist für mich Vaterfigur und Mentor und natürlich ein extrem kluger Kopf. Er hat mich an viele Sachen herangeführt: an klassische Musik, Jazz, Malerei.

Offensichtlich sind Herrn Becker neben dem Filmemachen noch viele andere Dinge in seinem Leben wichtig. Oder wie würden Sie seinen geringen Film-Output erklären?

Wolfgang ist wirklich sehr langsam. Irgendwann in den letzten Jahren habe ich zu ihm gesagt; Du, wenn das noch länger dauert , dann spreche ich für den Kaminiski vor. Dann kann ich den schon spielen, weil du so trödelst. Aber das ist eben seine Art: Er durchdenkt die Sachen ganz genau und ist sehr detailverliebt.

Karriereängste wie Ihrer Filmfigur Sebastian Zöllner sind Ihnen fremd, oder? Ihr Arbeitspensum in letzter Zeit war ja riesig.Naja, Zweifel sind immer da, so erfolgreich kannst du gar nicht sein. Ich denke immer, hoffentlich bleibt das so bestehen, wie es jetzt ist – und das für lange Zeit. Aber man weiß als Schauspieler nie, was kommt. Deshalb wollte ich mich auch absichern und habe vor fünf Jahren in Berlin eine Tapas Bar aufgemacht. Das heißt, wenn es einmal nicht mehr läuft, dann frittiere ich Sardinen.

Können Sie kochen?

Wenn meine Freundin dieses Interview liest und ich sage, ich kann gut kochen, dann bringt sie mich um. Ich kann zwei, drei Sachen machen, nichts Besonderes außer Tapas und Käse schneiden, aber Gastronomie macht mir einfach Spaß. Ich habe auch zwischendurch ein Buch geschrieben über Essen und gutes Leben in Barcelona. Also, ich würde jetzt nicht verkrampft daran hängen, Schauspieler zu bleiben, wenn ich merke, dass das Interesse an mir nicht mehr da ist.

Sie haben ja auch eine Wohnung in Barcelona, sind zweisprachig beziehungsweise mehrsprachig aufgewachsen. Kein Nachteil in der länderübergreifenden Filmbranche, oder? Ja, ich habe meinen Eltern schon diverse Male gesagt, dass ich mich herzlichst bei ihnen bedanke, dass sie sich kennengelernt haben. Wir haben ja auch noch angeheiratete Familie in Frankreich – da bin ich in den Ferien immer bei meinen französischen Cousins gewesen. Das heißt, wir haben in der Familie immer alles Mögliche gesprochen, was jetzt natürlich ein großer Vorteil ist.

Als was fühlen Sie sich?

Weder besonders deutsch noch besonders spanisch, aber schon europäisch. Das habe ich zuletzt bei einem Dreh in den USA gemerkt, dass mir dort alles nach drei Wochen reichte und ich totale Glücksgefühle hatte, als ich wieder in Europa gelandet bin. Dort ist so viel Plastik , so eine durch und durch kapitalisische Denke, so viel Verantwortungslosigkeit. Vor einem Supermarkt habe ich eine Frau angesprochen, die offenbar vergessen hatte, den Motor ihres Autos abzustellen. Sie meinte, die ließe ihn gerne laufen, während sie einkaufe, damit der Wagen schön gekühlt bleibe. Das ist eine andere Welt dort.

Wenn Sie all Ihre großen Filme der letzten Zeit rekapitulieren von "Rush" und "Die Frau in Gold" bis zu "Die Augen des Engels", was war das spannendste Projekt?

Eine sehr schöne Arbeit war dieses Jahr die Verfilmung von Hans Falladas Kriegsdrama "Jeder stirbt für sich allein", die kommendes Jahr anläuft. Das war eines jener Projekte, die von Haus aus unter einem guten Stern stehen. Eine extrem gute Drehbuchadaption von Achim von Borries, tolle Regie von Vincent Perez und Schauspielerkollegen wie Brendan Gleeson und Emma Thompson. Da kam viel Gutes zusammen.

Spüren Sie schon während des Drehs, ob etwas gut wird?

Da kann man sich leider vertun, aber man spürt es schon meistens. Wenn ich an "Rush" denke – und das tue ich meistens, wenn ich ich Wien bin –, dann muss ich sagen, dieser Dreh war fantastisch. Ich habe so viel gelernt von Ron Howard und dem ganzen Team. Da dachte ich schon: Mensch das wird was. Und: Niki hat mich auch gemocht. Gottseidank, sonst dürfte ich gar nicht mehr einfliegen nach Wien.

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