Drei Themengebiete sind dem ehemaligen Chef des MAK besonders wichtig: Die positiven Seiten der Digitalisierung; Klima, Ökologie und alles was dazugehört; und die Demokratie. Diese Themen hängen ursächlich miteinander zusammen: „Die Klimafrage ist die allergrößte Bewährungsprobe für die Demokratie“, sagt Thun-Hohenstein. Und: Die Digitalisierung ist eine hochpolitische Frage – unter anderem danach, was es heißt, Mensch zu sein.
Und: „Wir merken angesichts des russischen Angriffskrieges, dass wir eine Erneuerungswelle der Demokratie brauchen. Wir brauchen auch Brücken zu jenen 75 Prozent der Staaten, die keine liberalen Demokratien sind.“
Diese Themen, so betont der ehemalige Leiter des Kulturforums New York, gehen die Kultur an. Thun-Hohenstein findet es „sehr wichtig, dass wir diese großen Zukunftsthemen als kulturelle Themen begreifen. Denn wenn in 20, 30 Jahren analysiert wird, wo Maßgebliches passiert ist, dann möchte ich, dass wir dabei sind. Dass wir unter jenen Einrichtungen waren, die weit vorausgedacht haben, was ja auch außenpolitisch total Sinn macht, weil man Probleme antizipieren kann.“ Aber was kann die Kultur zu Fragen wie Demokratie und Klimawandel beitragen, kann sie hier überhaupt etwas ausrichten? „Ich glaube ja“, sagt Thun-Hohenstein. „Kunst kann eine Vorstellungskraft entwickeln, die anders ist als das, was in anderen Kontexten erarbeitet wird. Sie kann komplexe Fragestellungen auf eine andere Weise anpacken. Das, was dabei herauskommt, sind wertvolle Impulse. Imagination zu beweisen mit Bildern und Erzählungen, die etwas Neues schaffen.“
Impulse, die natürlich außenpolitisch eine Rolle spielen – und unter anderem via Kulturforen aus Österreich ausstrahlen sollen. Diese „leisten wertvolle Arbeit, weil sie in verschiedenen Sparten versuchen, Österreich mit in die Diskussion zu bringen“, sagt Thun-Hohenstein.
Also Schluss mit dem klassischen Bild von Österreichs Kultur – neue Künste statt Neujahrskonzert? „Nein, denn ich bin ein großer Fan des Verbindens dieser Welten“, sagt Thun-Hohenstein. „Wir haben eine enorme Reputation von Österreich als Kulturnation weltweit. Da ist Musik ein sehr starkes Thema. Gleichzeitig haben wir auch eine tolle Reputation als Zukunftsnation, weil wir großartige Unternehmen und wunderbare Forschung haben. Ich sehe das Verbinden dieser beiden Welten – Kulturnation und Zukunftsnation – als ein unglaubliches Atout für Österreich.“ Wer sich „bewusst wird, warum er sich für Kultur interessieren sollte, dem tut sich ein weites Feld auf. Die Tradition zu sichten, wo dort die Dinge für die Zukunft stecken, ist eine der spannendsten Aufgaben. Da kann die Kultur unglaublich viel leisten.“
Ein Begriff, der für die Arbeit von Thun-Hohenstein besonders wichtig ist, ist die Dignity. „Wir meinen damit die Würde des Menschen und die Würde der Natur“, erklärt Thun-Hohenstein. „Etwa bei der Frage, wo uns die Digitalisierung als Menschen hinführt. Und als Brücke zu China, das ja spätestens 2030 die führende Nation bei Künstlicher Intelligenz sein wird – oder vielleicht schon ist. Daher ist dieser Dialog außerordentlich wichtig. Die Kultur kann hier Wege aufzeigen, wie politische Entwicklungen passieren könnten – immer in einer dialogischen Weise gedacht. Es kann nie sein, dass wir sagen: Wir wissen alles und bringen anderen unser Wissen bei. Sondern es können immer mehrere Seiten voneinander lernen.“
Lernen können man etwa dabei, wie man Veranstaltungen als Green Events gestaltet, oder, wie man Wirtschaft und Kultur so zusammenführt, dass sie gemeinsam an positivem Wandel arbeiten: „Ohne Wirtschaft wird weder die ökologische noch die digitale Transformation passieren. Gleichzeitig wird es die Wirtschaft alleine nicht bewirken können. Es braucht immer die Gesamtsicht – und da spielt die Kultur eine wichtige Rolle.“
Um diese kulturellen Impulse international setzen zu können, muss Dementsprechendes in Österreich geschaffen werden. „Meine Aufgabe ist eine Vernetzungsaufgabe: Zu sagen, wir sind an diesen Themen enorm interessiert. Könnt ihr nicht noch mehr dazu machen?“, sagt Thun-Hohenstein. „Wir reden mit allen Bundesländern, mit vielen Fachressorts, aber auch mit der Wirtschaft, Stiftungen, um die Spielräume zu vergrößern, die wir haben.“ Apropos Spielraum – interessieren sich die Künstler überhaupt ausreichend für diese Zukunftsthemen? „Die Freiheit der Kunst ist Gradmesser für die Freiheit einer Gesellschaft. Daher müssen wir die Freiheit der Kunst entschlossen verteidigen. Aber ich erwarte mir, dass die Kunst auf die Fragen unserer Zeit noch viel stärker reagiert, als jetzt.“
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