Grissemann & Stermann: "Winnetou kann ich nicht spielen"

Grissemann & Stermann: "Winnetou kann ich nicht spielen"
Christoph Grissemann, Dirk Stermann und ihre Bühnenpartnerin Magda Kropiunig über die Premiere von "Sonny Boys", Frühaufstehen, Grissemann als Tarzan, Stermanns zu langsames Gehen, Grissemanns "Ahhhhhhh", Tony Wegas, Peter Rapp, Armin Assinger, Christoph Waltz, Hirnforschung, Flughafenangst, Alkohol und echte Therapie.

Am 10. Februar ist im Rabenhof Premiere: Christoph Grissemann und Dirk Stermann, bekannt aus der TV-Satiresendung "Willkommen Österreich" und aus vielen Kabarettprogrammen, spielen "Sonny Boys". Also Neil Simons berühmte, mehrfach verfilmte Komödie über zwei alternde, zerstrittene Komiker. Ihnen auf der Bühne und beim Interview zur Seite: Die Schauspielerin Magda Kropiunig.

KURIER: Dieses Interview findet um 9.30 Uhr statt. Ich hätte aufgrund Ihres Images eher erwartet, dass Sie bis Nachmittag schlafen.

Christoph Grissemann: Ich bin Frühaufsteher. Ich steh um sechs auf. Angenehm!

Dirk Stermann: Weil Grissemann Schlafstörungen hat. Ich kann mich noch erinnern, ich war mit Christoph mal in Leipzig und um 11.15 Uhr sagt er: Mittagstisch? Weil er schon so lange wach war und Hunger hatte. Da hat er dann vor Auerbachs Keller gewartet, denn die hatten noch nicht auf. Und dann um 11.30 Uhr: Knödel und Fleisch.

Grissemann: Im Krankenhaus und im Gefängnis frühstückt man zwischen 5.30 und 6.30 Uhr. Mittagessen um 10.30, Abendessen ab 15 Uhr.

Stermann: Aber wir sind hier nicht im Gefängnis!

In manchen österreichischen Skihotels gibt es das auch noch. Und immer nur ganz kurze Zeitfenster: Frühstück, 6.15 bis 6.32 Uhr.

Grissemann: Genau! Und dann wird das Buffet abgeräumt.

Stimmt es, dass Sie Tony Wegas gut fänden als Vertreter beim heurigen Song Contest? Ich habe ihn einmal live im Cafe Reisenbauerring in Wiener Neudorf gesehen, vor drei Zuschauern. Er war wirklich gut.

Grissemann: Eine Wucht, stimmts? Tolle Flamencogitarre!

Dann hat man ihn provoziert und es gab eine kleine Schlägerei.

Grissemann: Das wäre doch der ideale Vertreter – ein bisschen Frieden ...

Haben Sie das Stück "Sonny Boys" überhaupt gekannt?

Grissemann: Ich habe nur den Titel gekannt und immer gedacht, dass da Jack Lemmon und Walter Matthau spielen, es spielen aber Walter Matthau und George Burns. Es ist ein bisschen Vater-Großvater-Humor. Aber als ich es gelesen habe, hatte es dennoch etwas Bezauberndes.

Stermann: Ein sentimentales Stück.

Grissemann: Es hat keine Pointen, die im heutigen Sinn funktionieren. Man würde das als Kabarettist heute nicht mehr so schreiben. Großartig war die Interpretation von Schenk und Lohner in der Josefstadt. Es kommt darauf an, wer es spielt.

Stermann: Das Entscheidende für uns war, dass der Verlag gesagt hat, dass wir es umschreiben und verjüngen dürfen. Dann war für uns klar, das können wir machen – denn die Ausgangssituation ist perfekt für uns.

Magda Kropiunig: Ich war mir gar nicht sicher, ob ich es kenne oder das nur glaube. Und so habe ich es mir dann genau durchgelesen. Das ist ein Stoff, an dem kommst du nicht vorbei. Mein Vater ist 75 und hat sofort gesagt: Ah, "Sonny Boys"! Diese Generation kennt das sicher.

Stermann: Jüngere aber kaum.

Grissemann & Stermann: "Winnetou kann ich nicht spielen"

Da kommt vermutlich ein Publikum rein, das Sie gut kennt, aber das Stück nicht.

Grissemann: Es kann natürlich in alle Richtungen nicht funktionieren. Die Leute, die es von früher kennen, sind vielleicht entgeistert, weil wir das Stück in ihrem Sinne ruinieren. Und die, die uns kennen, denken sich, das ist das Langweiligste von Stermann-Grissemann, das ich je gesehen habe.

Was wurde bei der Bearbeitung verändert?

Magda Kropiunig: Die Geschichte bleibt absolut die gleiche.

Stermann: Es ist bei uns nur noch ein Drei-Personen-Stück, im Original sind es ...

Magda Kropiunig: Sieben!

Stermann: Der Sketch im Stück ist verändert, es ist jetzt ein alter Sketch von uns. Und es spielt jetzt in Wien, nicht mehr in New York.

Grissemann: Wobei wir es vermieden haben, zu aktuelle Dinge reinzugeben. Würden wir über Andreas Schieder und HC Strache sprechen, hätte das etwas Gespreiztes. Aber es kommen Begriffe wie FM4 vor, weil das unser gemeinsamer Vergangenheitskosmos ist. Aber sonst finde ich nicht, dass es so großflächig umgeschrieben ist.

Stermann: Doch, es kommen die Staatskünstler vor und viele andere Kollegen. Die Situation spielt in zehn Jahren, wir haben aufgehört, weil ein neuer muslimischer Unterhaltungschef im ORF installiert wurde und wir wegen eines Burka-Witzes rausgeschmissen wurden.

Sieben Rollen gibt es im Original, jetzt nur drei – das heißt, Sie spielen fünf auf einmal?

Magda Kropiunig: Ich bin eigentlich der Neffe, der jetzt eine Cousine und die Agentin ist und gleichzeitig bin ich auch die Krankenschwester, die im zweiten Teil vorkommt. Meine Rolle ist viel größer geworden.

Stermann: Sie hat mehr Text als ich! Und es gibt noch einen Fernsehmoderator, den der Peter Rapp spielt. Und dann gibt es einen Regisseur, wer den spielt, das bleibt noch ein Geheimnis.

Grissemann: Peter Rapp wird bei der Premiere selbst auf der Bühne stehen, bei den anderen Vorstellungen wird er zugespielt.

Ist Peter Rapp so ein guter Typ, wie er rüberkommt?

Grissemann: Ich finde schon.

Stermann: Cooler kann man als Fernsehmoderator nicht sein.

Grissemann: Da, wo Assinger sich zehn Jahre vorbereiten muss, wird Rapp aus dem Wirtshaus gerissen und kann jede Sendung moderieren, besser, als ich es je könnte.

Stermann: Er ist der mit Abstand beste Moderator im ORF. Das hört man auch, wenn man in Deutschland mit Fernsehleuten redet.

Magda Kropiunig: Großartig finde ich, dass er die schlechteste Sendung im ORF macht und dabei trotzdem cool ist.

Grissemann & Stermann: "Winnetou kann ich nicht spielen"

Sie beide sind für "Sonny Boys" deutlich zu jung.

Grissemann: Stimmt. Normalerweise muss man 70, 80 sein, wenn man das spielt, und wir sind eben 50. Wir sind auf der Bühne aber zehn Jahre älter.

Stermann: Aber weil wir so früh begonnen haben, sind wir gefühlsmäßig so wie die im Stück. Wir haben mit 20 angefangen und sind schon ewig zusammen – für mich passt das genau.

Grissemann: Mir wäre lieber gewesen, man hätte mir die Rolle als Tarzan angeboten. Aber da muss ich ehrlich zu mir selber sein – das wird es nicht spielen. Insofern passt das schon. Ich hoffe nur, das funktioniert jetzt. Wenn das nämlich aus irgendwelchen Gründen total in die Hose geht, dann war es meine letzte Rolle.

Wirklich?

Grissemann: Bei Kabarett ist es mir mittlerweile relativ egal, da weiß ich schon, dass es funktioniert. Aber in das Stück haben wir so viel Herzblut reingelegt, das würde mich schon treffen, wenn es nicht funktioniert.

Wie ist es, mit den beiden zu arbeiten?

Magda Kropiunig: Sehr lustig! Sehr professionell. Sie sind überpünktlich, meist schon vor mir bei der Probe. Der Christoph kann sogar schon meinen Text auswendig.

Grissemann: Das heißt nur leider noch nicht, dass man ein guter Schauspieler ist.

Magda Kropiunig: Ich finde, ihr seid super!

Ich habe den Verdacht, Sie beide sind in Wahrheit sehr gute Schauspieler.

Stermann: Der Christoph ja, ich nicht.

Grissemann: Mir liegt es ganz gut, Bestehendes zu übertreiben, aber ein guter Schauspieler im Christoph Waltz’schen Sinn werde ich nie, nie, nie.

Stermann: Aber das ist auch der Waltz nicht. Hast du diesen Film gesehen, "Big Eyes"? Schlechter habe ich noch niemanden spielen gesehen.

Magda Kropiunig: Ich war echt überrascht, ihr seid Naturtalente, intuitiv große Komödianten!

Grissemann: In dem Fall ist es ja auch einfacher, da meine Figur Grissemann heißt. Einen Hirnforscher zu spielen würde mich vor größere Probleme stellen.

Stermann: Oder Winnetou.

Grissemann: Winnetou kann ich nicht spielen. Traurig ... ein Lebenstraum!

Stermann: Da haben wir die Überschrift für den Artikel!

Grissemann: Das scheitert ja schon an meiner Angst vor Pferden.

Grissemann & Stermann: "Winnetou kann ich nicht spielen"

Vielleicht hatte ja Winnetou in Wahrheit auch Angst vor Pferden.

Grissemann: Man könnte es als behindertengerechten Winnetou spielen.

In "Willkommen Österreich" zeigen Sie sich derzeit bei einer Therapie – das sieht ziemlich echt aus.

Grissemann: Wir haben tatsächlich vier Mal 50 Minuten mit einer echten Therapeutin gemacht. Der Witz war ja, dass da plötzlich so ein Ernst einzieht – durch die Fallhöhe wird es lustig. Und der Kern ist ja ein wahrer, es ist nicht so, dass wir da einen Sketch gespielt hätten!

Stermann: Das Großartige war ja, in der ersten Stunde haben wir wirklich sehr ernsthaft gesprochen und uns auch total beleidigt. Und dann kamen wir raus und im Redaktionsteam war eine ganz bedrückte Stimmung.

Grissemann: Kalkweiße Gesichter!

Stermann: "Unsendbar!"

Grissemann: "Was ist denn mit euch los?"

Stermann: Dabei kriegen die das immer mit bei den Sendungen, die ganzen Streitereien. Aber es wurde so ernsthaft durch die Therapeutin, die das großartig macht.

Das bringt uns zurück zum Stück. Kennen Sie das auch, dass Sie Verhaltensweisen des anderen wütend machen? Im Stück ist es das berühmte Spucken.

Grissemann: Stermanns Ruhe und Souveränität können mich zur Weißglut bringen (Stermann begrüßt eine Bekannte, die am Tisch vorbeigeht). Das zum Beispiel: Ich rede, und er steht auf und küsst eine Frau! Obwohl ich mit ihm rede! Genau das macht mich wahnsinnig!

Stermann: Das Lustige ist ja: Keiner von uns spuckt. Aber wenn wir im Stück diesen Sketch spielen, dann kommt darin ganz viel von dem vor, was uns beide ausmacht. Nämlich, dass eine Situation sofort kippen kann in einen wahnsinnigen Streit. Und es ist geil, das jetzt gespielt zu machen – das hat auch fast etwas Therapeutisches.

Grissemann: Auch die Art, wie Stermann geht, kann mich wahnsinnig machen, diese geringe Gehgeschwindigkeit!

Stermann: Und umgekehrt, wenn Christoph einen Raum betritt, dann macht er "Ahhhhhhh", um zu signalisieren, mir geht’s so schlecht, alles ist so schlecht. Das halt ich auch nicht mehr aus, ich habe es schon 50.000 Mal gehört. Aber Christoph entwickelt jetzt langsam Flugangst und fährt mit dem Zug, das ist für mich angenehmer, allein im Flugzeug zu sitzen, anstatt zu hören, wie er schon morgens "Ahhhhhhhhh" macht.

Grissemann: Ich habe keine Flugangst, ich hab Flughafenangst. Das ist ein Unterschied. Diese ständigen Sicherheitskontrollen – es ist ein andauernder Demütigungsprozess. Gürtel ausziehen ...

Magda Kropiunig: ... lustig, bevor du das gesagt hast, ist mir das nie aufgefallen. Ich fühle mich dadurch nur sicherer.

Sie sind Portugal-Fan, stimmt das?

Grissemann: Ja, das stimmt. Wunderbares Land, angenehme Leute.

Stermann: Wir haben einmal in Lissabon einen Auftritt gehabt an der deutschen Schule. Wir haben so gestritten, dass du abgegangen bist.

Warum haben Sie gestritten?

Stermann: Ich weiß es gar nicht mehr, du warst betrunken.

Grissemann: Das stimmt doch überhaupt nicht.

Sind Sie wirklich betrunken auf der Bühne? Ich halte das für einen Schmäh.

Grissemann: Wirklich betrunken nicht. Ich habe 1500 Auftritte absolviert und höchstes fünf oder sechs betrunken, mit peinlich verschmierter Stimme. Aber ein bisschen angezwitschert ist doch ok.

Stermann: Ich trinke nur noch ganz selten, ich vertrag’s nicht mehr und will nicht mehr trinken. Es macht keinen Spaß mehr.

Wie lange werden Sie noch "Willkommen Österreich" machen? Der Vertrag mit dem ORF geht noch zwei Jahre.

Grissemann: Ich denke mir, dass diese Abgänge von Stefan Raab und Harald Schmidt nicht ganz falsch waren. Bei FM4 habe ich mich zum Schluss auch schon komisch gefühlt, wenn ich zu den 20-jährigen Jungredakteuren gekommen bin.

Stermann: Ich finde, diese Art von Unterhaltungssendung kann man machen, bis man umfällt. Wenn man die paar Jahre überbrückt, in denen es für einen selber unerträglich ist, dann kann man in ein Alter kommen, wo es etwas Cooles kriegt.

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