Delikatessen
Denn der gebürtige Berliner Thielemann ist bei den Werken der Strauß-Dynastie endgültig zum Wiener geworden. Zwar ging es mit Karl Komzáks (junior) „Erzherzog Albrecht-Marsch“ partiturgemäß recht forsch los, doch bereits bei dem Walzer „Wiener Bonbons“ von Johann Strauß Sohn bewies Dirigent Thielemann, dass er Süßes extrem delikat servieren kann. Mit Strauß’ „Figaro-Polka“ kam auch französisches Flair ins Spiel. „Für die ganze Welt“ von Josef Hellmesberger Junior darf als Paradebeispiel eines perfekt musizierten Walzers stehen. Und „Ohne Bremse“ (eine Polka schnell) von Eduard Strauß) ging es fulminant in die Pause.
„Man darf nicht zu viel und nicht zu wenig machen“, erklärte Thielemann vorab im KURIER-Interview, sonst würde man als Dirigent „stören“. Nein, Thielemann „störte“ in keiner Weise, genoss den unvergleichlichen Klang des Orchesters (toll alle Soli) und zog dort das Tempo an, wo es angebracht war. Eher nicht bei der Ouvertüre zur Operette „Die Waldmeister“ von Johann Strauß, was aber wiederum zum darauffolgenden „Ischler Walzer“ (aus dem Nachlass des Komponisten) passte. Auch die „Nachtigall-Polka“ aus dessen Feder muss man so erst einmal hinbekommen. „Die Hochquelle“ (eine Polka) von Eduard Strauß spritze fröhlich vor sich hin – dann das Ereignis.
Wann hat man die „Neue Pizzicato-Polka“ von Johann Strauß so unendlich schön, so nuanciert, so feinsinnig gehört? Hier verließ sich Thielemann zurecht und mit wenigen Zeichengebungen auf das Orchester und „störte“ niemals. Bei der „Estudiantina-Polka“ aus dem Ballett „Die Perle von Iberien“ von Josef Hellmesberger Junior jedoch hatte der Dirigent die Zügel wieder fest in der Hand.
Novitäten
Neun Werke, die bis dato im Neujahrskonzert noch nie zu hören waren, präsentierten die Wiener Philharmoniker. Wobei vor allem eine – nach dem Walzer „Wiener Bürger“ von Carl Michael Ziehrer – für die größte Spannung sorgte. Eine Quadrille (WAB 121) des jungen Anton Bruckner in der sehr geglückten Orchesterfassung von Wolfgang Dörner. Siehe da, der Jahresregent (Wiederkehr des 200. Geburtstags) konnte als junger Komponist auch die sogenannte „leichte Musik“ verfassen, die bei den Philharmonikern und Thielemann naturgemäß in besten Händen war. Man denke nur an die eben erst veröffentlichte Einspielung aller Bruckner-Symphonien. Ein Meilenstein!
Mit „Glædeligt Nytaar!“ (Deutsch: „Glückliches Neujahr!“ des dänischen Komponisten Hans Christian Lumbye ging es ins Finale. Der „Delirien-Walzer“ von Josef Strauß beschloss herrlich ausbalanciert und sehr kultiviert das offizielle Programm.
Dann war Thielemann am Wort. Die obligaten Neujahrswünsche von Dirigent und Orchester wurden heuer zu einem „Gruß an eine Welt, zerrissen von Kriegen und Intoleranz.“ Zuletzt aber Walzerseligkeit mit dem „Donauwalzer“ und dann kam mit dem „Radetzkymarsch“ der Mitklatschfaktor hinzu. Übrigens das einzige Mal, wo Thielemann nicht alles unter Kontrolle hatte. Denn wir Laien-Klatscher sind eben nicht so firm wie die Wiener Philharmoniker.
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