Chris Martin: Scheu auf der Badewanne, souverän im Stadion

Chris Martin: Scheu auf der Badewanne, souverän im Stadion
Eine Doku zeigt den Aufstieg des Sängers und seiner Band Coldplay - bis zum heute möglichen Ende der Karriere.

In einer Szene von „A Head Full Of Dreams (Film)“ sagt Coldplay-Sänger Chris Martin es ganz deutlicht: Er denkt, dass dieses Album das letzte seiner Band ist.

Auch wenn in der 105 Minuten langen Karriere-Doku klar wird, dass Martin das nach jedem Album gesagt hat, ist es bei „A Head Full Of Dreams“ doch ernster: Denn er und seine Mitmusiker betonen auch mehrfach, dass ihnen bei diesem Album und der zugehörigen Tour, die 5,4 Millionen Leute in Stadien rund um die Welt lockte, alles so gelang, alles so klang und aussah, wie sie es sich erträumten, als sie begannen.

Überraschend

Mat Whitecross, der Regisseur der Doku, die heute (zusammen mit der Konzert-DVD „Live In Sao Paulo“ und der Konzert-CD „Live in Buenos Aires“) erscheint, glaubt trotzdem, dass weiterarbeiten werden. „Chris sagt, dass er bei jedem Album alles gibt, sich deshalb danach total leer fühlt und glaubt, keine Ideen mehr zu haben“, erklärt Whitecross im KURIER-Interview. „Doch dann hat er frei, und die Ideen kommen wieder. Natürlich ist diese Doku jetzt sicher eine Zäsur, weil sie alles erreicht haben, was sie wollten. Ich glaube aber schon, dass sie wieder etwas machen werden, dass es dann aber etwas Überraschendes und etwas ganz Anderes sein wird.“

Chris Martin: Scheu auf der Badewanne, souverän im Stadion

Whitecross traf Martin und dessen Bandkollegen als sie alle mit 18 Jahren in London in das gleiche Wohngebäude am Campus der Eliteuni UCL einzogen und es noch gar keine Band gab.

Chris war groß, schlaksig, unglaublich süß, charmant und voll Leben“, erinnert sich Whitecross an die erste Begegnung. Er wollte unbedingt Regisseur werden, begann deshalb die Entstehung der Band zu filmen, weil es auf dem College nichts anderes zu filmen gab. Seither hat er viele der Coldplay-Videos gedreht und war – wenn ihm die Arbeit an politischen Filmen wie „The Road To Guantanamo“ Zeit ließ – mit der Kamera im Studio oder auf Konzerten dabei.

Chris Martin: Scheu auf der Badewanne, souverän im Stadion

Regisseur Mat Whitecross ist seit der Uni mit Coldplay befreundet.

Deshalb hatte Whitecross 1000 Stunden Filmmaterial für seine Doku zur Verfügung und erzählt alles ausschließlich anhand von Interviews mit den Musikern oder Wegbegleitern. Großen Wert legte er drauf, den Wandel Martins vom College-Schüchti zum souveränen Frontmann nachzuzeichnen, der 100.000 Fans auf einmal in seinen Bann ziehen kann.

Verletzlich

„Auf einem oberflächlichen Level ist Chris heute ein ganz anderer Mensch“, sagt er. „Er ist ein Superstar, der mit Präsidenten spricht und mit Berühmtheiten befreundet ist. Auf einem anderen Level hat er sich aber überhaupt nicht verändert.“

Whitecross gibt ein Beispiel: „Drei Wochen nachdem ich Chris kennengelernt hatte, traf ich ihn auf dem Campus. Er hatte eine akustische Gitarre dabei, zog mich in ein Badezimmer. Wir setzten uns auf den Rand der Wanne und er spielte mir diesen wunderschönen Song vor, den er gerade geschrieben hatte. Als ich sagte, wie großartig ich das fand, reagierte er mit Zweifel. Er sagte: ,Nein, das ist Scheiße, ich habe kein Talent, ich werde es nie als Musiker schaffen!’

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Als wir dann auf der ,A Head Full Of Dreams’-Tour in Bangkok filmten, kam er mit einem neuen Song zum Soundcheck. In dem kleinen Studio, das Coldplay backstage haben, spielte er den anderen diesen Song vor. Sie stiegen mit ein und spielten eine Stunde lang damit herum. Dann gingen die anderen, um sich auf den Auftritt vorzubereiten, und Chris sagte: ,Oh, ihr mögt den Song nicht!’ Da war er wieder der verletzliche 18-Jährige, den ich vor 20 Jahren kennengelernt hatte.“

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