Ihr Tratschpartner fragte sich daher in der besinnlichen Zeit, wie es eigentlich im Verfahren gegen den Solocellisten der Wiener Staatsoper steht. Ulrike Sych, Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst, hatte ihn im April 2018 als Professor entlassen, weil er seine Machtposition gröblich missbraucht habe. Es sei zu sexuellen Übergriffen gegenüber Schülern gekommen, die er mit dem Argument, dass eine Karriere nur mit seiner Hilfe möglich sei, gefügig zu machen versucht haben soll.
Der Cellist, Mitglied der Philharmoniker, brachte in der Folge Klage beim Arbeits- und Sozialgericht ein. Seine finanzielle Situation wollte er aber nicht offenlegen (die Philharmoniker hüten die Höhe ihrer Einkünfte wie ein Staatsgeheimnis). Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Verfahren einstweilen ruhend zu stellen. Schließlich entschloss er sich zu einer Wiederaufnahme.
In der Verhandlung vom 25. Februar 2020 kam es aber zu einer Äußerung, die den damaligen Staatsoperndirektor in Misskredit brachte: Dominique Meyer soll den Musiker gebeten haben, vom Recht auf ein Gerichtsverfahren Abstand zu nehmen, bis er, also Meyer, Wien in Richtung Mailand verlassen habe. Tags darauf entließ der Direktor den Cellisten, der privat auch in den Räumen der Staatsoper unterrichtet hatte. Was zur Folge hatte, dass der Musiker nicht länger Mitglied im Verein der Philharmoniker ist. Ein Aufatmen war spürbar. Nicht nur an der Musikuni, sondern auch im Staatsopernorchester (ganz besonders in der Cello-Gruppe) und bei den Philharmonikern.
Doch der Musiker vertrat die Ansicht, dass seine Äußerung kein hinreichender Entlassungsgrund sei, und klagte. Zur Absicherung sprach die Staatsoper vor genau einem Jahr – nun unter Direktor Bogdan Roščić – eine „Eventual-Nichtverlängerung des Bühnendienstvertrages“ über den 31. August 2021 hinaus aus. Denn die Befürchtung wurde wahr: Das Gericht gab dem Musiker recht. Kurz zusammengefasst: Der Cellist hätte ja bloß den einstigen Direktor, nicht aber die Staatsoper geschädigt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, denn die Staatsoper ging, auch in Sorge um die Reputation, in Berufung. Aber trotzdem kam es (einstweilen) zu einer Wieder- und Weiterbeschäftigung, weil das Arbeitsrecht dies so vorsieht: Der Musiker erhielt die offenen Bezüge seit der Entlassung nachbezahlt und erhält Monat für Monat sein Grundgehalt. Auch wenn er weiterhin vom Dienst freigestellt ist.
Ihr Tratschpartner ist ein wenig verdutzt. Denn das Gericht beschäftigt sich weiterhin mit Formalfragen, geht aber dem eigentlichen Motiv für die Entlassung nicht auf den Grund. Die Philharmoniker haben das Kapitel mit einem klaren Statement entschieden: Auch wenn der Cellist derzeit Mitglied des Staatsopernorchesters ist, besteht kein Anspruch auf Wiederaufnahme.
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