Sie hat das Schicksal der Roma öffentlich gemacht

APA11207670-2 - 29012013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 196 KI - Die Schriftstellerin und Malerin Ceija Stojka zeigt in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen eines ihrer Werke (Archivbild 01.03.2003). Ceija Stojka verstarb am Montag, 28. Jänner 2013, im Alter von 79 Jahren in einem Wiener Krankenhaus. APA-FOTO: DPA/Rainer Jensen
Die Künstlerin und Schriftstellerin Ceija Stojka starb im Alter von 79 Jahren in Wien.

Mit ihren Büchern und Bildern trug sie maßgeblich dazu bei, das Schicksal der Roma zu Zeiten des Nationalsozialismus an die Öffentlichkeit zu bringen. Nun ist die gebürtige Steirerin und Romni Ceija Stojka im Alter von 79 Jahren in einem Wiener Spital verstorben. "Ich habe zum Stift gegriffen, weil ich mich öffnen musste, schreien", erklärte die Malerin, Sängerin und Autorin 2004 bei einer Ausstellung im Jüdischen Museum ihren Antrieb.

Sie hat das Schicksal der Roma öffentlich gemacht
Geboren wurde die Künstlerin am 23. Mai 1933 in der Steiermark als Kind von fahrenden Rom-Lowara aus dem Burgenland. In der Zeit von 1941 bis 1945 war Stojka in den Konzentrationslagern Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen interniert, die sie mit ihrer Mutter und vier Geschwistern als einzige Mitglieder einer 200 Personen zählenden Großfamilie überlebte. Ihre Erlebnisse brachte Stojka erstmals für den 1988 veröffentlichten Erinnerungsband "Wir leben im Verborgenen" zu Papier, 1992 folgte die Fortsetzung "Reisende auf dieser Welt".

Worte und Bilder

Sie hat das Schicksal der Roma öffentlich gemacht
Nachtschicht Kultur: 'Übers Leben' Unter den Brettern hellgrünes Gras. Im Bild: Ceija Stojka. Eine berührende Biographie aus der Zeit der NS-Verfolgung hat Regisseurin Karin Berger aufgegriffen: die Geschichte der Ceija Stojka, Angehörige der Roma, und ihrer Internierung im KZ Bergen-Belsen. Als elfjähriges Mädchen geriet Stojka in die Fänge der NS-Vernichtungsindustrie. Als Bergen-Belsen zu Kriegsende hin immer mehr Häftlinge aus frontnahen Lagern auffangen musste und sich die Anzahl der Insassen um 40.000 erhöhte, herrschte das blanke Chaos. Die Versorgung brach zusammen, die Menschen litten zusätzlich zum Terror noch unter Hunger und Seuchen. Sie ernährten sich von Gras und alten Stoffen. Nach der Befreiung dokumentierte die britische Armee die Zustände filmisch. Dieses Material hat Karin Berger in ihre Dokumentation eingebaut. Es ist das Porträt einer Frau, die ohne Hass zurückblickt, und es ist ein Film über das Überleben. SENDUNG: ORF2, SO, 05.03.2006, 23:05 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung des ORF bei Urhebernennung. Foto:ORF/Karin Berger. Andere Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der Abteilung ORF/GOEK-Photographie. Copyright:ORF-PHOTOGRAPHIE, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-14383.
Aber nicht nur in Worten, auch in ihren Bildern drückte Stojka die Gräuel des Nationalsozialismus aus, sieht man sich auf "Die Finsternis von Bergen-Belsen" oder anderen Werken immer wieder mit Szenarien aus dem Leben im KZ konfrontiert. Vor der Internierung in den Lagern fuhr Stojka mit ihren Eltern durch das Land, zu einer Zeit, bevor die "braune Soß'" Europa überschwemmte, wie sie im nach ihr benannten filmischen Porträt von Karin Berger (2001) erzählt. Auch die Zeit nach dem Krieg ist hier Thema, als sie sich etwa die Haare blond färbte, um bessere Jobaussichten zu haben. "Man hat so große Angst gehabt vor dunklen Menschen."

2005 gab es erneut eine Zusammenarbeit mit Berger, die auch als Herausgeberin ihrer Bücher fungierte. Die Doku "Unter den Brettern hellgrünes Gras" (2005) befasst sich in kompakter Weise, beinahe gänzlich auf das gesprochene Wort setzend, neuerlich mit der Lebensgeschichte von Ceija Stojka und wurde 2006 mit dem Fernsehpreis der Erwachsenenbildung bedacht.

Stojka wurde im Laufe ihres Lebens mit etlichen Auszeichnungen bedacht, so erhielt sie u.a. den Bruno Kreisky-Preis für das politische Buch (1993), den "Josef-Felder-Preis für Gemeinwohl und Zivilcourage" der bayrischen SPD (2000), das Goldene Verdienstkreuz des Landes Wien (2001), die Humanitätsmedaille der Stadt Linz (2004), das Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich (2005) und den Fernsehpreises der Erwachsenenbildung (2006). 2009 wurde sie von Kulturministerin Claudia Schmied (S) mit dem Berufstitel Professorin bedacht.

Für Schmied leistete Stojka "Unschätzbares" für die österreichischen Roma, ihr Zeugnis gebe "Mut und Hoffnung, dass der Schwur 'Nie wieder' mehr als ein historisches Versprechen ist und sein wird". Auch Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) würdigte Stojka als "große Persönlichkeit und Künstlerin, die wesentlich zum Selbstbewusstsein der Roma, Sinti und Lowara beitrug". Sie sei die erste gewesen, die mit ihren Lebenserinnerungen auf deren Diskriminierung und deren Schicksal in den NS-Vernichtungslagern aufmerksam gemacht hat. "Wir haben ihr viel zu verdanken", so der Stadtrat.

Anlässlich des 80. Geburtstags, den die Künstlerin im Mai gefeiert hätte, erscheinen im Wiener Picus Verlag "Aufzeichnungen einer Romni zwischen den Welten", wie der Untertitel zur Neuauflage ihrer beiden Erinnerungsbücher lautet, die erstmals in einem Band erhältlich sind. "Dieses Buch wirkte wie ein Initialfunke in einer gesellschaftlichen Situation, in der sich ein Teil der österreichischen Bevölkerung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu konfrontieren begann", schreibt Berger im Vorwort. "Ihre Worte und ihre Persönlichkeit haben bei vielen Menschen Sichtweisen verändert, haben einen Anstoß gegeben, neues Wissen aufzunehmen und Vorurteile abzubauen."

Sie hat das Schicksal der Roma öffentlich gemacht
Wir sind Menschen, keine Minderheit!“ Dieser kräftig ausgesprochene Satz war eines der Lebensbekenntnisse von Ceija Stojka, die nun 79-jährig in Wien, starb. Der vielleicht letzte öffentliche Auftritt der Malerin, Sängerin und Schriftstellerin fand Ende November 2012 im Gymnasium in der Wiener Hagenmüllergasse statt. Da wurde der Film "Ame Sam Romm – Wir sind Roma", den Jugendliche mit professioneller Unterstützung über Ceija Stojka im speziellen und die Kultur der Roma im allgemeinen gedreht hatten,vorgestellt. Wirkte sie in ihrem Rollstuhl versunken sitzend schon eher schwach, so erwachten ihre Lebensgeister völlig als sie mit den Jugendlichen sprach – ob im Einzelgespräch oder via Mikro zu allen im Festsaal. Da war sie voll da, voller Kraft, stolz eine Romni zu sein. Und froh darüber, dass sie in den vergangenen Jahren immer wieder viel mit Jugendlichen über die Schrecknisse der (mörderischen) Verfolgung sprechen konnte. Und voll der Hoffnung, dass da viele junge Menschen sind, die sich gegen Ausgrenzung und Rassismus stellen.

Übrigens: Das Wort Rom in der Sprache Romanes bedeutet auf Deutsch: Mensch

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