Cannes: Von den Rändern der Gesellschaft

Cannes: Von den Rändern der Gesellschaft
Die Goldene Palme geht nach Japan zu dem Meistererzähler Kore-eda; Spike Lee gewinnt großen Preis.

Die Goldene Palme geht nach Japan zu dem Meistererzähler Kore-eda; Spike Lee gewinnt großen Preis. Und wieder hat keine Frau in Cannes den Hauptpreis gewonnen.

Der diesjährige Gewinner der Goldenen Palme heißt Kore-eda Hirokazu und ist ein meisterlicher Erzähler aus Japan. Für sein exquisites, familiäres Drama „Shoplifters“ wurde er mit dem höchsten Preis ausgezeichnet. Der zweite Preis – der große Preis der Jury – ging an Spike Lee und seine Tragikomödie „BlacKkKlansman“; darin erzählt er von einem schwarzen Polizisten, der sich Anfang der 70er Jahre bei David Duke und dessen rassistischen Ku-Klux-Klan einschleicht. Den Preis für beste Regie gewann der polnische Stilist Pawel Pawlikowski für seine bitterschöne Liebesgeschichte in Schwarz-weiß, „Cold War“.

Und die im Libanon geborene Regisseurin Nadine Labaki erhielt für „Capharnaüm“, in dem sie von miserablen Lebensumständen in den Slums von Beirut aus der Perspektive eines Kindes erzählt, den Preis der Jury.

Die Palmen-Entscheidung der Jury unter der Präsidentin Cate Blanchett ist befriedigend und enttäuschend gleichermaßen. Kore-edas Siegerfilm „Shoplifters“ erzählt auf höchstem Niveau von einer Gruppe verarmter Japaner, die sich als Familie zusammengeschlossen hat und unter prekären Bedingungen am Rande der Gesellschaft lebt. Vater und Sohn gehen gemeinsam auf Beutezug durch die Supermärkte, die Pension der Großmutter garantiert die Miete der winzigen Wohnung. Tatsächlich ist niemand mit niemandem verwandt, trotzdem funktionert das Zusammenleben – bis die Polizei einschreitet. „Shoplifters“ ist ein filigranes, superb gespieltes Gesellschaftsporträt. Als einziges Haar in der Suppe wäre anzumerken, dass Kore-edas Lieblingsthemen – vor allem die Problematik familiärer Bindungen – auch in seinen anderen Filmen stark präsent und daher wenig überraschend sind.

Dass man Spike Lees gefeiertes „BlacKkKlanman“ mit dem zweiten Preis ausgezeichnet hat, liegt mit Sicherheit in Lees dezidiert kritischer Botschaft gegen Rassismus und Trumpismus, herübergebracht in einem unterhaltsamen, flotten Film mit großem Massenappeal. In gewisserweise ist es vielleicht auch eine Wiedergutmachung dafür, dass Lee 1989 für „Do the Right Thing“ nicht die Goldene Palme bekommen hatte.

Cannes: Von den Rändern der Gesellschaft

Chance verpasst

Wirklich schade hingegen der Umstand, dass Alice Rohrwachers magisch-tragisches Ausbeutungsporträt „Happy As Lazzaro“, das Publikum und Kritik gleichermaßen zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte, nur einen halben Preis bekam: Den Preis für bestes Drehbuch musste sich Rohrwacher mit den Drehbuchautoren von Jafar Panahis „3 Faces“ teilen. Viele Beobachter waren der Ansicht gewesen, dass Alice Rohrwacher eine klare Palmen-Anwärterin war. Doch die Jury hat wiederum – wie vor zwei Jahren bei Maren AdesToni Erdmann“ – die Chance vorüber ziehen lassen, den wirklich hervorragenden Film einer Frau mit dem höchsten Preis von Cannes auszuzeichnen.

Die Gewinner

Preisträger–Goldene Palme: Kore-eda Hirokazu für „Shoplifters“ (Japan)
–Großer Preis der Jury:Spike Lee für „BlacKkKlansman“ (USA)
–Beste Darstellerin:Samal Yesyamova in „Ayka“ (Russland)
–Bester Darsteller:Marcello Fonte in „Dogman“ (Italien)
–Beste Regie:Pawel  Pawlikowski für „Cold War“ (Polen)
–Bestes Drehbuch: Alice Rohrwacher („Happy As Lazzaro“ - Italien) und  Nader Saeivar & Jafar Panahi („3 Faces“ - Iran)
–Preis der Jury:Nadine Labaki für „Capharnaüm“(Libanon)
–Spezial Palme: Jean-Luc Godard für „Image Book“ 

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