Hinter dem Projekt mit dem Titel „Red Bull Symphonic“ standen anfangs einige Fragezeichen: Passen Drum and Bass und Klassik zusammen? Finden die extrem akribisch arbeitenden Soundtüftler völlig unterschiedlicher Prägung einen gemeinsamen Nenner?
Ja, lautet die Antwort auf beide Fragen.
Zu Beginn stand aber erst einmal das gegenseitige Kennenlernen am Programm: „Ich wusste von Camo & Krooked anfangs nicht viel, kannte ihre Musik nur vom Hörensagen. Für dieses Projekt habe ich mich dann auch zum ersten Mal in meiner Karriere mit Drum and Bass auseinandergesetzt, auf die Musik eingelassen, die meine Tochter abfeiert“, sagt Christian Kolonovits.
Auch Camo & Krooked wussten anfangs nicht sehr viel mit dem Namen Kolonovits anzufangen: „Als wir erfahren haben, wer uns bei unserem Vorhaben unterstützen wird, haben wir wenig damit anfangen können. Aber dafür gibt es ja Google. Und nach einer kleinen Recherche war uns klar, mit wem wir es hier zu tun haben – und zwar mit einer großen Persönlichkeit des Austropop“, sagt Reinhard Rietsch alias Camo. Nach den ersten Treffen herrschte aus mangelnder Erfahrung auf beiden Seiten große Überforderung. Man musste erst einmal gegenseitiges Vertrauen aufbauen, eine gemeinsame Sprache finden. Ein klassischer Komponist wie Kolonovits versteht unter einem „Drop“ etwas anderes als ein Produzent von elektronischer Musik. „Ich hatte bei den Begrifflichkeiten noch enorm viel zu lernen. Es war alles sehr neu für mich – verbunden mit viel Nervosität, Spannung, Euphorie und Verzweiflung. Es war ein Projekt mit offenem Ausgang“, sagt Kolonovits.
Ein mögliches Scheitern stand aber nie zur Debatte. „Nachdem ich die Tracks von Camo & Krooked gehört hatte, war mir klar, dass das funktionieren kann. Der Drum and Bass der beiden ist von Natur aus orchestral. Das hat die Arbeit erleichtert“, resümiert der 67-Jährige. Trotzdem sei es schwierig gewesen, Kompromisse zu finden und Entscheidungen zu treffen: Wer übernimmt in welcher Situation die Führung – eher die elektronischen Parts oder das Orchester? Bei dieser Frage habe man sich oft „gegenseitig auf die Palme gebracht“, erzählt Markus Wagner alias Krooked.
Gemeinsam mit Camo, seit zwölf Jahren sein musikalischer Weggefährte, hat er sich lange Zeit im Studio den Kopf zerbrochen. Alles wurde bis ins kleinste Detail analysiert: Welche Sounds sind unverzichtbar und wichtig für den Wiedererkennungswert; welche müssen in den Arrangements elektronisch bleiben; welche überlassen sie Kolonovits zur Interpretation? „Wir haben dann die von uns ausgewählten Lieder für dieses Projekt noch einmal in ihre Einzelbestandteile zerlegt, um die Essenz herauszufiltern, um Platz für das Orchester zu schaffen. Es soll ja kein Nebeneinander, sondern eine Zusammenführung zweier unterschiedlicher Welten sein, die eine Symbiose eingehen“, sagt Camo.
Mittlerweile ist man längst an einen Punkt angekommen, an dem alle sehr zufrieden sind. Dabei hat auch Steve Reich geholfen. Der New Yorker Komponist gilt als Erfinder der Minimal Music. In dieser hat man einen Link gefunden, was das Zusammenspiel zwischen einem Orchester und Drum and Bass ausmachen kann.
Die letzten Proben für die beiden Shows im Konzerthaus finden gerade im Großen Sendesaal des Radiokulturhaus statt. In Summe gilt es, 22 Nummern umzusetzen, die richtige Chemie zwischen zwei so unterschiedlichen Klangkörpern zu finden.
Dafür setzt man auf die Qualität und den Spielwitz des Max Steiner Orchestra. Diese Musiker sind es auch gewohnt, live mit In-Ear-Kopfhörern zu spielen und sich von gleich zwei Dirigenten führen zu lassen. „Der eine ist der rhythmische Dirigent, das ist unser Sequenzer, also unser Computer, der das Metronom, den Click für alle 80 Musiker auf der Bühne liefert. Aber der wahre Dirigent ist natürlich der Christian“, sagt Krooked, der mit Camo ins Orchester eingebunden ist: „Wir sind das elektronische Herz.“
Info: Der erste Termin (1. Februar, 20.30 Uhr) im Wiener Konzerthaus ist bereits ausverkauft, für 2. Februar gibt es Restkarten. FM4 überträgt das erste Konzert live. Eine Doku über das Projekt „Red Bull Symphonic“ wird Ende Februar auf Red Bull TV veröffentlicht.
Während es im Techno-Bereich bereits einige gelungene Projekte dieser Art gibt, hat das Genre Drum and Bass diesbezüglich noch Nachholbedarf. „Ich kann mich an zwei Projekte erinnern. Das eine waren die
Phoneheads mit dem Düsseldorfer Symphonic Orchestra Anfang der 2000er-Jahre. Das andere Goldie mit dem Heritage Orchestra im Jahr 2017“, sagt Krooked. Davon abgeschaut habe man sich aber nichts, da man etwas anderes, noch nie Dagewesenes schaffen wollte. „Wir möchten eine dynamische Geschichte erzählen, mal die Elektronik, mal das Orchester in den Vordergrund stellen. Jeder Track hat eine Besonderheit verpasst bekommen. Es wird Überraschungsmomente geben“, sagt Camo.
Welche Instrumente verkörpern Drum and Bass am besten? „Das sind die Blechblasinstrumente: laut, stark, dreckig und viele Obertöne. Die Hörner geben das elefantöse wieder. Die Kraft kommt von dort. Bei ruhigeren, emotionalen Passagen sind natürlich Streicher gefragt“, erklärt Kolonovits. „Die Bläser werden einiges zu tun bekommen. Sie tun mir jetzt schon leid. Atemtechnisch wird das ein Hammer. Die Musiker wissen bereits, dass sie Cardio-Training machen müssen, damit sie das durchstehen“, sagt Krooked und lacht.
Info: Der erste Termin (1. 2). (20.30) im Wiener Konzerthaus ist ausverkauft, für 2.2. gibt es Restkarten. FM4 überträgt das erste Konzert live. Eine Doku über das Projekt wird Ende Februar auf Red Bull TV veröffentlicht.
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