Bis 2010 behalfen wir uns daher in eMails mit selbst gestrickten Emoticons wie „:-)“, um Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das Smartphonezeitalter brachte seither mehr Farbe ins Zwinkersmiley-Leben – die Emojis traten ihren weltweiten Siegeszug an.
Über 3.000 dieser Chatsymbole existieren mittlerweile. Einige wenige bekamen jüngst in der heimischen Politik so etwas wie ikonischen Charakter.
Das Küsschen-Emoji etwa: Ein Herz an einer geschürzten Lippe wird dem schriftlichen Gegenüber zugeworfen: „Kriegst eh alles, was du willst“, schreibt Bundeskanzler Sebastian Kurz an den damals noch nicht zum ÖBAG-Chef aufgestiegenen Parteigänger Thomas Schmid. Gefolgt von drei Küsschen-Emojis. Der schreibt zurück: Zunächst setzt er drei lächelnde Emojis, dann folgt der Satz „Ich bin so glücklich. Ich liebe meinen Kanzler.“ Danach: Zwei Daumen-Hoch-Zeichen und zwei Bizeps-Emojis. Eine eher untypische Syntax, die verrät, dass Schmid in dieser
Welt nicht ganz zu Hause sein dürfte: Denn eigentlich werden Emojis fast immer ans Ende einer Sinneinheit gestellt. Seltener bilden sie Vor- und Nachhut zum eigentlichen Text.
Sei es, wie es sei: Die geleakten Chatprotokolle zeigen, dass die hohe Politik auch nicht wesentlich anders tickt als Herr und Frau Normalo: Wir alle schicken zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten Grafiken hin und her, die unsere Gefühlswelt unterstreichen soll.
Wer es seltsam findet, dass ein Kanzler Küsschen wirft, hat seine eigenen Chatprotokolle nicht mehr präsent: Emojis lassen uns einander näherrücken. Sie machen einen banalen Text verbindlicher und leichter les- und deutbar.
Alle Emojis werden im Unicode-Standard veröffentlicht und indiziert. Dieser technische Grundrahmen für Zeichen ermöglichte den Schritt über das erweiterte Alphabet hinaus zum Lächeln und Auberginen-Schicken erst. Mit dem Siegeszug des iPhones wurde das Emoji dann Allgemeingut. Seither wird das Emoji vermessen, verbessert und statistisch erfasst. So werden etwa am öftesten positiv konnotierte Symbole verschickt, die auch die Laune beim Empfänger und der Empfängerin heben. Und sie passen oft zum Urheber der Nachricht: Dass der Fitness-Aficionado Gernot Blümel den Satz „Schmid AG fertig“ mit dem Bizeps-Emoji verfeinert, wirkt wenig überraschend. Überhaupt: Es gibt wahrscheinlich kein Symbol, dass (männlichen) Zusammenhalt und das Feiern von gemeinsam Erreichtem besser symbolisiert als der starke Arm, verschickt via Textmessage.
Emojis verbinden. Sie machen unsere Kommunikation auch besser. Um dem auf den Grund zu gehen, analysierten die Linguisten Michael Beißwenger und Steffen Pappert WhatsApp-Nachrichten. Ihre Analyse: Emojis markieren die Äußerungsabsicht hinter einem schriftlichen Beitrag und sichern dadurch Verstehen, und sie dienen der Beziehungspflege.
Der richtige Kuss zur richtigen Zeit signalisiert Wertschätzung. Das gilt für Vorgesetzte genauso wie für Menschen im Kundenkontakt.
Die amerikanische Psychologin Monica A. Riordan fand 2017 heraus, dass die Verwendung von Emojis Nachrichten mit positivem Inhalt nochmals positiver wirken lässt. Und: Je mehr Emojis ans Textende gesetzt werden, desto stärker ist dieser Effekt.
Der Katalog wird laufend erweitert und an die User ausgerollt. Für 2021 ist auch ein Emoji angekündigt, das die Bundespolitik dringend braucht: Ein heftig ausatmendes Gesicht. „Puh“, könnte die Beschreibung hierzu lauten. „Anstrengend“. Oder: „Gerade noch einmal hingekriegt.“
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