Burgtheater-Star Caroline Peters: „Die echte Begegnung fehlt“
Caroline Peters, 1971 in Mainz geboren, ist viel beschäftigt – als Filmschauspielerin („Womit haben wir das verdient?“) und Ensemblemitglied der Burg („Medea“). Beziehungsweise war. Der KURIER traf sie, nun in Kurzarbeit, auf der Albertinabastei zum Interview – in der Sonne mit Sicherheitsabstand.
KURIER: Sie sind die neue Buhlschaft der Salzburger Festspiele. Haben Sie schon deren 26 Sätze gelernt?
Caroline Peters: Es sind sogar 30! Nein, habe ich nicht. Das Auswendiglernen hatte ich von vornherein auf den Juni geschoben. Dabei ist es geblieben. Aber mal gucken, ob es wegen der Corona-Maßnahmen überhaupt zur Aufführung kommt.
Die „Jedermann“-Premiere soll am 18. Juli sein. Könnten Sie sich eine Kussszene mit Distanz vorstellen?
Ja! Denn dafür sind wir Künstler: Dass wir Lösungen und symbolhafte Bilder finden, die kein anderer sich ausdenken kann. Also Bilder, die über die direkte Ausführung einer Handlung hinausgehen. Man könnte jetzt sagen, dass eine traditionell gespielte Kussszene ein Relikt des Realismus ist. Es gab auch andere Epochen, da hätte man sich sowieso nicht auf der Bühne geküsst. Warum soll man sich also nicht etwas einfallen lassen können, das auch ansehenswert oder sexy ist? Genau das ist unsere Aufgabe!
Leiden Sie darunter, derzeit nicht auftreten zu dürfen?
Jetzt schon. Ich gebe gerne zu, dass ich die ersten zwei, drei Wochen gar nicht gelitten habe. Denn ich hatte in dieser Saison derart viel gespielt. Das war dann wie hitzefrei in der Schule. Ich dachte auch, dass es Anfang April weitergehen würde. Jetzt bin ich aber über den Erholungspunkt längst hinaus, und man denkt sich: Wie geh’ ich damit um? Auch wenn man in der digitalen Welt viel erfinden kann, eines geht nicht: dass Leute zusammensitzen und einer Schauspielerin, einem Schauspieler zuschauen. Diese echte Begegnung fehlt.
Das ist auch das Manko an Video-Konferenzen: Die anderen schauen auf den Bildschirm – aber nie mir in die Augen. Ich genieße es, Ihnen gegenübersitzen zu dürfen.
Genau! Ich war in Berlin gewesen, musste daher in Hausquarantäne und war 14 Tage nonstop in unserer Wohnung. Als ich dann das erste Mal im Supermarkt wieder Leuten begegnet bin, war ich richtig aufgeregt. Ich hatte fast Lampenfieber!
Sie haben ja auch im Netz Programm gemacht ...
Ich fühlte mich wie ein Tour-de-France-Radfahrer, der ganz vorne mitfährt: Auf einmal macht es Puff – und dann ist das Shirt weg, das Fahrrad ist weg, die Bergstraßen auch. Aber er selbst hat noch seine Muskeln und das Adrenalin. Doch wohin damit? Ich wollte eine Aufgabe für mich finden, die die Tage strukturiert und irgendeinen Sinn macht. Dann kam mir die Idee, für die Kinder meiner Freundinnen, die Homeoffice machen, jeden Tag um 11 Uhr auf Instagram „Magie hoch zwei“ von Sibylle Luig vorzulesen. Jetzt hab ich alle ihre Bücher fertig. Nächste Woche lese ich abends auf der Instagram-Seite von Matthes & Seitz „Das Blau des Himmels“ von Georges Bataille. Und ab 11. Mai dann wieder auf @carolinepetersliest einen Text für Erwachsene, ich kümmere mich noch um die Rechte.
Sie lesen live?
Ja. Ein Video mit etwas Vorgelesenem fand ich fad. Das Wissen, dass auch ich in meiner Wohnung sitze und das Wetter oder die Nachrichten kommentieren kann: Das trägt zum Spaß bei – der Zuhörenden wie meinem.
In „Theblondproject“ begeisterten Sie mit einer feministischen Stand-up-Comedy. Da es keine Vorstellung mehr gibt: Könnten Sie nicht diese halbe Stunde live spielen?
Als Theatermensch denkt man einen solchen Abend nur von der Bühne her. Aber warum nicht umsetzen für Live-Video? Ich werde darüber nachdenken!
Ihre letzte Premiere vor dem Shutdown war die Uraufführung von Elfriede Jelineks „Schwarzwasser“. Warum treten Sie eigentlich in einem pinken Gorilla-Kostüm auf?
Wir hatten bei den Proben das Gefühl, dass sich die Ibiza-Typen Gudenus und Strache wie Marvel-Superhelden fühlen. So kamen wir für mich auf Poison Ivy. Und Marlene Dietrich trat in einem Film als Bartänzerin in einem Gorilla-Kostüm auf. Diese Szene wurde in einem „Batman“-Film der 1990er-Jahre wiederholt – von Uma Thurman als Poison Ivy. Denn was hätte man sonst machen sollen? Einfach dem Publikum in Nobelpreisträgerinnensprache mitteilen, dass man ein genaues Auge auf Sebastian Kurz haben sollte? Das ist weder charming noch unterhaltsam. Und mir gefällt auch nicht, wenn Theaterleute behaupten, es besser zu wissen.
Vor allem: Darf man sich als deutsche Staatsbürgerin erlauben, die österreichische Politik zu kritisieren?
Ich finde: Seit Sebastian Kurz in der Bild zu „meinem“ Volk spricht, habe ich das Recht dazu. Was mich merkwürdig berührt: Dass die Deutschen die Reden von Kurz so positiv aufnehmen. Also auch außerhalb der Krise.
Ist es richtig, dass Sie nebenbei mit Ihrem Mann ein Postkartengeschäft betreiben?
Ja, eine Galerie für Postkarten und Fotografie im Postkartenformat in der Margaretenstraße 47. Mein Mann fotografiert sehr gut – und schrittweise kam uns die Idee zu diesem Laden. Einen anderen kreativen Ort zu haben: Das macht großen Spaß!
Der Shutdown war daher doppelt bitter für Sie?
Nein. Das Geschäft war geschlossen, aber der Postkartenverlag steht recht gut da. Denn der Onlinehandel art-postal.com ist angestiegen. Die Leute langweilten sich zu Hause und kamen auf die Idee, den Freunden und Verwandten Postkarten zu schicken. Wir brachten daher Oster- und Virenkarten heraus. Aber wir wollten in Salzburg einen Pop-up-Shop eröffnen – mit den Theaterfotografien von Ruth Walz aus 30 Jahren Salzburger Festspiele. Das liegt jetzt natürlich auf Eis.
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