Hartmann will Gage bis 2019

Hartmann will Gage bis 2019
Der entlassene Burgdirektor bestreitet ungerechtfertigte Zahlungen - wer als Nachfolger infrage kommt.

Das Burgtheater ist endlich wieder auch mit Aufführungen in den Medien (siehe Kritik zu "Die Krönung Richards III."), es vergeht aber kein Tag, an dem die größte deutschsprachige Bühne nicht auch von kulturpolitischen Debatten eingeholt wird. Das wird sich nicht allzu schnell ändern.

Am Donnerstag bestritt der entlassene Direktor Matthias Hartmann, ungerechtfertigt Gelder erhalten zu haben. "Sämtliche Zahlungen basieren auf einer vertraglichen Grundlage", betonen seine Anwälte. Laut Prüfbericht seien noch 4238,63 Euro für Hartmann ausständig.

Hartmanns Anwälte kritisieren auch Holding-Chef Georg Springer: Dieser sei von Hartmann wiederholt auf die Abschreibungspraxis der (seit drei Monaten ebenfalls entlassenen Ex-Geschäftsführerin) Silvia Stantejsky hingewiesen worden. Hartmann selbst habe sie auch nie als Geschäftsführerin installieren wollen.

Bis Ende der Woche will der Ex-Direktor Klage gegen seine Entlassung einbringen und sein Gehalt bis 2019 (so lange wäre sein Vertrag gelaufen) einfordern. Bis Mittwoch wollen sich Minister Josef Ostermayer und der Burg-Aufsichtsrat auf einen interimistischen Leiter einigen.

Denkbare Varianten

- Es übernimmt ein Ensemble-Mitglied die Aufgabe (zählt nicht zu den realistischsten).

- Es wird eine exzellente Kennerin/ein exzellenter Kenner des Hauses damit betraut, etwa Karin Bergmann, die langjährige Ko-Direktorin (eine glaubhafte Option), oder Hermann Beil.

- Die Burg wird zwischenzeitlich von Volksopernchef Robert Meyer mitgeleitet. Der war lange Zeit Mitglied des Ensembles und dessen Sprecher. Einer seiner Mitarbeiter an der Volksoper, Rainer Schubert, könnte sich als ehemaliger Burg-Chefdisponent ebenso einbringen (wäre eine praktikable Lösung).

- Es kommt jemand von außen, am besten der langjährige Münchener Kammerspiel-Chef und ehemalige Salzburger Schauspieldirektor Frank Baumbauer (hätte viel Charme, wäre solide und höchst professionell). Er könnte auch im Verein mit Karin Bergmann übernehmen.

- Die Bestellung eines fixen Intendanten ist Zukunftsmusik. Um die Namen Martin Kušej und Sven-Eric Bechtolf wird man nicht herumkommen.

"Wenn wir das hinter uns haben, werden wir auch über die Struktur nachdenken müssen", erklärte Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) heute im Kulturausschuss der Nationalrats zu Fragen der Holding-Mitverantwortung für die Finanzmisere am Burgtheater. Vorläufig gelte aber "alle Power" der Stabilisierung des Burgtheaters. "Beruhigung, Aufklärung und Budgeterstellung" liefen dabei parallel.

Der Minister ließ keinen Zweifel daran, dass der vor kurzem in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender des Burgtheaters zurückgetretene Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer sein Vertrauen genieße. Die rechtliche Prüfung seiner Verantwortung sei sowohl in bisherigen Prüfaufträgen inkludiert gewesen als auch nun Teil des umfassenden Prüfersuchens an den Rechnungshof. Springers mit Jahresende auslaufender Vertrag werde "rechtzeitig", nämlich im Sommer oder Herbst, neu ausgeschrieben. "Ich kenne keinerlei Indiz, dass sich (die ehemalige Kulturministerin, Anm.) Claudia Schmied bewerben wird", beantwortete er eine Frage des FPÖ-Kultursprechers Walter Rosenkranz.

Im Zentrum der Debatte stand die Mitverantwortung von Aufsichtsrat, Bundestheater-Holding und Prüforganen an der entstandenen Situation, die zur Entlassung von Vizedirektorin Silvia Stantejsky und des Künstlerischen Geschäftsführers Matthias Hartmann sowie zu einem möglichen Jahresverlust in der Bilanz 2012/13 von 8,3 Mio. Euro und möglichen Steuernachzahlungen von weiteren 5 Mio. Euro geführt haben.

Springer will Holding stärken

"Ich wüsste nicht, wovon ich zurücktreten sollte", erklärte Springer im Ausschuss, er wolle sich "von dem, was ich aufgebaut habe, in aufrechtem Gang zurückziehen". "Ich ärgere mich jeden Tag darüber, dass wir nicht früher draufgekommen sind, ob Sie es glauben oder nicht. Aber ich glaube, dass es nicht möglich war, früher draufzukommen", sagte Springer. "Wir sind hintergangen worden", man habe "jetzt daraus gelernt".

Er halte die Holding weiterhin für "die beste aller Organisationsformen. Ich weiß keine bessere", so der Holding-Chef. Man verfüge aber nur über 16 Personen, "im operativen Bereich sind wir zweieinhalb bis dreieinhalb Personen. Kontrolle bis zu den Wurzeln ist mit diesem Personal, dieser Stärke und dieser Ausrichtung nicht zu leisten." Springers Fazit: "Ich fände es richtig, die Holding aufgrund der traurigen Erfahrungen mit dem Burgtheater zu stärken."

Auch auf der Bühne der Burg macht sich die aktuelle Situation unangenehm bemerkbar. Nach dem Ungarischen Nationaltheater hat nun auch die ungarische Theatergruppe Krétakör ihre Teilnahme an dem am Freitag startenden "Szene Ungarn"-Festival des Burgtheaters abgesagt. Das für Montag, 17.3., im Kasino angekündigte Gastspiel von "Corruption" wird ersatzlos gestrichen, hieß es heute in einer Presseerklärung des Burgtheaters.

"Krétakör begründet die Absage mit den ungeklärten wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen am Burgtheater, die sich mit dem Anliegen der Gruppe nicht vereinbaren ließen. Das Burgtheater bedauert die Absage", so die Aussendung. Das vom entlassenen Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann initiierte Festival soll "Ausschnitte einer Theaterlandschaft" bieten und zu Diskussionen über die Situation von Theaterschaffenden und Künstlern angesichts des nationalkonservativen Kurses der Regierung Orban anregen.

Mitte Februar hatte bereits der Ungarische Nationaltheater-Intendant Attila Vidnyanszky die Absage des für kommenden Samstag geplanten "Johanna auf dem Scheiterhaufen"-Gastspiels damit begründet, das Burgtheater sei angesichts seiner aktuellen Turbulenzen "nicht der richtige Schauplatz, um hinsichtlich der Angelegenheiten eines anderen Landes die Vermittlerrolle zu spielen".

Das kennt man aus dem Konzert: Je lauter der Paukenschlag, desto intensiver wirkt die nachfolgende Stille. Dieses Phänomen kennt man nun auch aus dem Theater: Am Tag eins nach dem Paukenschlag, der Entlassung des Burgtheater-Direktors, ist man mindestens genauso weit von der Lösung der schweren Probleme der Bühne entfernt wie zuvor. Und die sind gewaltig: Neben der aktuellen finanziellen Affäre, die sich auf bis zu 13 Millionen Euro ins Minus auswirken könnte, sind die seit Jahren schwelenden Finanzschwierigkeiten des Hauses die selben wie zuvor.

Trotz Millionensubvention (mehr als 46 Millionen waren es zuletzt) hat das Burgtheater zu wenig Geld, um den Betrieb in bisheriger Form aufrecht zu erhalten; und daran wird sich angesichts der aufgeflogenen Finanztricks schon gar nichts ändern. Dazu ist das Haus jetzt auch künstlerisch führungslos. Und die eskalierte Affäre um Matthias Hartmann und Silvia Stantejsky hinterließ tiefe emotionalen Spuren.

Beruhigung

Im Theater selbst bemüht man sich um Beruhigung, auch verbal. Der kaufmännische Geschäftsführer Thomas Königstorfer, derzeit alleine für die Geschicke des Hauses verantwortlich, betont gegenüber dem ORF: die Entlassung Hartmanns habe „keinen Einfluss“ auf den Spielbetrieb. Dennoch: Wie ein Interims-Intendant (der soll bis 19. März feststehen) jene schwierigen Aufgaben bewältigen soll, die zwei Vollzeitdirektoren nicht lösen konnten, bleibt unklar.

Dazu muss dieser noch in einem zerstrittenen Ensemble vermitteln, den durch Kündigungen und die finanziellen Aussichten verunsicherten Schauspielern eine Zukunftsperspektive vermitteln. Und auch er muss bei der Aufklärung der Malversationen mithelfen, jenen Staub aufzuwirbeln, der nachher weggeputzt werden muss.

Ebenso unklar scheint, wie ein Burgtheaterchef gefunden werden soll, der schon mit der Spielzeit 2015/’16 übernimmt. Das ist, wegen der Vorlauffristen der Produktionen, in Theaterbegriffen fast schon übermorgen. Hartmann war ganze drei Jahre vor seiner ersten Spielzeit zum Chef berufen worden. „Wir brauchen dafür eine Spitzenkraft“, sagt der designierte Aufsichtsratsvorsitzende des Burgtheaters, Christian Strasser. Aber „die sind aber meist vertraglich woanders gebunden. Wir sollten daher flexibel sein: Lieber ein halbes Jahr früher oder später, dafür aber die beste Lösung.“ Der Umbruch hat soeben erst angefangen. Beendet sein wird er noch lange nicht.

Kušej nimmt sich aus dem Spiel

Ein aussichtsreicher Kandidat im Nachfolgespiel hat bereits abgewunken. Martin Kušej zum KURIER: "Ich bin sehr gerne Intendant des Residenztheaters in München. Mein Vertrag hier geht bis zum 31.8.2016, und ich sehe keinen Grund, diese erfolgreiche und aufregende Arbeit vorzeitig zu beenden. Für das Burgtheater und alle seine Mitarbeiter wünsche ich mir sehr, dass es sich in Ruhe und Besonnenheit konsolidieren kann."

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