Springer-Rücktritt: Notbremsung in der letzten Runde

Springer wurde 1991 Generalsekretär des Bundestheaterverbandes und nach dessen Umwandlung in eine Holding Geschäftsführer
Der langjährige Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, gab am Tag vor Beginn des Hartmann-Prozesses seinen Rücktritt bekannt

Nun also doch.

Der Burgtheater-Skandal kostet auch Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer vorzeitig den Job. Er tritt mit 30. Juni zurück. Seine Aufsichtsratstätigkeiten in Burgtheater, Staats- und Volksoper hatte er schon vor Monaten aufgegeben.

Springer begründet diesen lange erwarteten, in dieser Phase aber doch überraschenden Schritt damit, dass er damit "eine Versachlichung der Diskussion um die Bundestheater-Holding ermöglichen" wolle. Er habe Kulturminister Josef Ostermayer am vergangenen Freitag "in einem ausführlichen, persönlichen Gespräch informiert und über das Wochenende die nötigen Vorbereitungen für meinen Rücktritt getroffen", heißt es in einer Aussendung.

Sein Geschäftsführervertrag, der bis Ende 2014 gelaufen wäre, werde einvernehmlich aufgelöst, danach trete er in den Ruhestand. Der Jurist Springer ist 67 Jahre alt.

Belastung

Seinem "allein und aus freien Stücken" getroffenen Schritt liege "die Sorge zugrunde, in einer besonders wichtigen Phase des Unternehmens zu einer Belastung der Holding, damit des Bundestheaterkonzers und seines Eigentümers zu werden", betont Springer. Er wolle weiterhin alles für eine "lückenlose Aufklärung" tun. Ostermayer dankte ihm "für seine Arbeit in den letzten Monaten, die zur Beseitigung der Krise im Burgtheater beigetragen" hätte.

Pikant an Springers Rücktritt ist der Zeitpunkt der Verkündung: am Tag vor dem Beginn des Prozesses von Matthias Hartmann gegen seine Entlassung als Burgtheaterdirektor. Hartmann hatte sich mit seinen Anwälten zuletzt in seiner Argumentation vor allem darum bemüht, Springer als eigentlichen Schuldigen darzustellen. Nun hat Springer vor der heutigen Begegnung vor dem Arbeitsgericht einen wichtigen Schachzug gesetzt.

Aus der Verantwortung entlassen ist Springer damit aber noch nicht. Ostermayer hatte eine Entlassung von Springer abgelehnt, weil ein Prozessrisiko zu hoch wäre.

Falls nun im Zuge der weiteren Aufarbeitung des Skandals doch noch schwerwiegendere Verfehlungen nachzuweisen sind, könnte es nach wie vor zu etwaigen Schadenersatzforderungen gegen Springer oder zu einem Disziplinarstrafverfahren nach dem Beamtendienstrecht kommen.

Springer erhält ab Juli eine Beamtenpension, basierend auf seinem (bedeutend geringeren) Beamtengehalt und nicht auf seinen Einkünften als Holding-Chef. Bei der Ausgliederung der Bundestheater um die Jahrtausendwende erhielt er zusätzlich einen Geschäftsführervertrag. 2012 betrug sein Jahresgehalt 261.700 Euro.

Nachfolge

Die Holding wird ab Juli von Springers Stellvertreter Othmar Stoss geleitet. Dieser ist aber nicht interimistischer Chef. Ob ein solcher bestellt wird, soll in den kommenden zwei Wochen geklärt werden. Im Herbst sollen Reformvorschläge für die Holding vorliegen und die Position ausgeschrieben werden.

Christian Strasser, Chef des Wiener Museumsquartiers und Aufsichtsratschef im Burgtheater, dementierte gestern bereits sein Interesse an der Springer-Nachfolge. Für diese war auch Claudia Schmied als Kandidatin genannt worden – was aber sehr unrealistisch ist, unter anderem weil sie es war, die Hartmann vorzeitig bis August 2019 verlängert hatte. Eine Option für den Topjob ist zweifellos Thomas Drozda, ehemaliger kaufmännischer Leiter am Burgtheater und Chef der Vereinigten Bühnen.

KURIER: Was erwarten Sie sich von dem Prozess? Ihre Rehabilitierung? Oder deutet nicht alles auf einen Vergleich hin?
Matthias Hartmann: Ich erwarte mir Klarheit, Wahrheit und Recht.

Sie haben in der Presse gesagt, sowohl Springer als auch PricewaterhouseCoopers mit Informationen konfrontiert zu haben, die auf Bilanzbetrug hinwiesen. Hätten Sie nicht spätestens da Konsequenzen als Geschäftsführer ziehen müssen?Mein Ansprechpartner für die Missstände und deren Beseitigung ist der Eigentümervertreter. Ihn habe ich rechtzeitig informiert.

Sie sagten, sie fühlen sich "gelegt", u. a. weil Ihnen nicht die wahre Finanzsituation der Burg bei Vertragsunterzeichnung vorgelegt wurde.
Ich verbitte mir den Vorwurf der arglistigen Täuschung, da ich selber ein Getäuschter bin.

Welche Rolle spielt es für Ihren Prozess gegen die Entlassung, wieviel Mitschuld Springer trägt?
Man kann mir nicht Kontrollversagen unterschieben, wenn es zur Kontrolle eine eigene Institution gibt.

Das Arbeits- und Sozialgericht wird ab Dienstag zur Spielstätte der Burgtheater-Affäre: Ex-Direktor Matthias Hartmann bekämpft seine Entlassung. Das Burgtheater wiederum will (Prozessstart: Freitag) rückwirkend gegen die Vertragsverlängergung Hartmanns im Jahr 2012 vorgehen. Der KURIER beantwortet im Vorfeld die wichtigsten Fragen:

Was war noch gleich das Problem?

Das Burgtheater ist in einer schweren Krise: Direktor Matthias Hartmann und Vizedirektorin Silvia Stantejsky wurden entlassen. 2012/’13 steht ein Minus von mehr als 19 Millionen Euro in der Bilanz. Es geht u.a. um falsche Buchhaltung, schleierhafte Bar-Auszahlungen, Steuerschulden, nicht wahrgenommene Verantwortung, gegenseitige Schuldzuweisung. Die bisher von Georg Springer (siehe oben) geleitete und dem Burgtheater übergeordnete Bundestheater-Holding ist ebenfalls betroffen.

Wer streitet jetzt mit wem?

Heute beginnt am Arbeitsgericht der Prozess, den Hartmann gegen das Burgtheater angestrebt hat. Der Ex-Direktor will seine Entlassung anfechten. Seine finanziellen Forderungen könnten sich auf insgesamt zwei Millionen Euro (u. a. die Gage bis zum regulären Vertragsende 2019) summieren. Auch die ehemalige Vizedirektorin Silvia Stantejsky führt einen dementsprechenden Prozess gegen die Burg. Dieser hat bereits im April begonnen und wird im Herbst fortgesetzt. Am Freitag startet ein dritter Prozess: Diesmal heißt es Burgtheater versus Hartmann. Das Theater fechtet die Vertragsverlängerung (und damit die Forderungen Hartmanns im anderen Prozess) an: Hätte man Einblicke in das Finanzdebakel gehabt oder davon nur ansatzweise etwas geahnt, wäre Hartmann 2012 nicht verlängert worden.

Geht das nicht einfacher, etwa in einem gemeinsamen Prozess?

Dass die beiden Hartmann-Prozesse zusammengelegt werden, ist nicht unmöglich (bei beiden geht es um Sorgfaltsverstöße). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass einer der Prozesse unterbrochen wird, bis es ein Urteil im anderen gibt.

Was werden diese Rechtsstreits ergeben?

Vor dem Arbeitsgericht geht es im Wesentlichen nicht um ein vollinhaltliches Aufrollen der Burgtheater-Affäre, sondern eigentlich um die Rechtmäßigkeit der Entlassungen. Dabei stellen sich natürlich Fragen nach Verantwortlichkeiten in der Finanzaffäre; darüberhinaus gelten bei Geschäftsführern strengere Maßstäbe an die Sorgfalt als bei Angestellten. Entlassungen können aber auch aus reinen Formalfehlern (etwa: nicht rechtzeitig erfolgt) ungültig sein. Hartmann will geltend machen, dass seine Entlassung durch die falsche Person vorgenommen wurde: Nicht Kulturminister Josef Ostermayer, sondern Bundeskanzler Werner Faymann hätte diese aussprechen müssen. Aus Sicht der Bundestheater-Holding war die Entlassung hingegen rechtens, da der einstige Burg-Chef bereits seit Jahren von Schwarzen Kassen am Haus gewusst habe. Die Frage, was Hartmann wann gewusst hat und wie er mit diesem Wissen umgegangen ist, wird auch im Prozess Burgtheater versus Hartmann eine wesentliche Rolle spielen.

Gibt es am Dienstag gleich ein Urteil?

Nein, der erste Termin ist noch kein inhaltlicher, sondern ein vorbereitender; es geht um Prozesstermine, Zeugen etc. Die Folgetermine werden für September und den Herbst erwartet, dann wird es spannend(er). Der Prozessverlauf beim Arbeitsgerichtsprozess um den ehemaligen MAK-Direktor Peter Noever legt übrigens eine weitere Option nahe: Noever und das MAK haben sich verglichen, eine Option, die es in allen Prozessen rund um die Burg natürlich auch gibt.

Was gibt es Neues?

In den Tagen vor den Prozessbeginnen drangen neue Infos an die Öffentlichkeit. Darunter: Ein Rechnungshof-Rohbericht und ein Gutachten mit Kritik an der Holding. Und die Details einer Finanzregelung, die die derzeitige Direktorin Karin Bergmann bei ihrem ersten Abschied aus der Burg getroffen hat: Sie habe sich die Abfertigung auf acht Monate verteilt auszahlen lassen, berichtet der Standard.

In einem Interview mit der Presse bekundete Hartmann, sich "gelegt" zu fühlen. Und er verwies erneut auf eine Verantwortung Springers.

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