Dass Axel Spörl überhaupt bestellt wurde, verwundert.
Mitte Oktober hatte die Bundestheater-Holding die Geschäftsführung der „Art for Art“-ServicegmbH (Bühnenbild- und Kostümwerkstätten) ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist lief bis 2. Dezember.
Ein idealer Kandidat
Da sich die neue Regierung erst konstituieren musste, konnte Christian Kircher, Chef der Holding, die Entscheidung erst am 7. April bekannt geben: „Herr Dr. Axel Spörl“ werde von Ulrike Lunacek (Grüne) zum Geschäftsführer ab Mai bestellt. Und die neue Kulturstaatssekretärin streute Spörl, den sie als „idealen Kandidaten“ für den Job bezeichnete, Rosen. Er beeindrucke durch seine Persönlichkeit und fachliche wie soziale Kompetenz.
Laut Kircher wurde das Verfahren vom Unternehmen Korn Ferry begleitet, das unter den 37 Bewerbern die geeigneten Kandidaten ausgesiebt habe: „Im Zuge der Bewerbung hatte der Personalberater natürlich auch den Lebenslauf und die Personaldokumente zu prüfen.“
Axel Spörl, der im Herbst 2019 das Logistik-Unternehmen GLS verlassen hatte, bewarb sich mit einem Lebenslauf, der große Lücken und orthografische Fehler (z.B. „Addresse“) aufweist.
Spörl schreibt zu Beginn: „Ich suche eine neue Herausforderung, in einer Umgebung wo cih (sic!) meine Begeisterung für Menschen, Motivation, Effizienz und Qualität einbringen kann.“ Er wechselt zudem zwischen Deutsch und Englisch: „Geburtsdatum: 05 May 1971, Geburtsort: Regensburg, Bavaria“.
Unter „Ausbildung/Abschlüsse“ bleibt er so gut wie alle relevanten Angaben schuldig. Er schreibt bloß: „Doktorat: Informatik & Musiktheorie, MBA: Wharton Executive Programme“. Man erfährt nicht, wo und wann er maturiert beziehungsweise studiert hat. Auch das Datum der Promotion und der Titel der Dissertation fehlen.
Keiner Erwähnung wert findet Spörl zudem, ob er Präsenz- oder Zivildienst abgeleistet hat. Ausführlich wird er jedoch beim Aufzählen der Sprachen, die er beherrsche: „Deutsch: Muttersprache. Englisch, Niederländisch: Verhandlungssicher. Französisch, Neugriechisch, Hebräisch: Konversationssicher. Serbokroatisch: Grundkenntnisse.“
Ein Kommunikationstalent
Spörl muss aber, wie ehemalige Freunde und Arbeitskollegen bestätigen, ein ungeheures Kommunikationstalent sein. Er soll auch beim Hearing beeindruckt haben. Nach einer zweiten Beratungsrunde (mit den Geschäftsführern des Burgtheaters, der Staats- und der Volksoper) erging ein Dreiervorschlag an Lunacek – mit Spörl als Erstgereihtem. Auch Kircher war von ihm angetan.
Ein paar Tage nach Spörls Bestellung, am 16. April, übermittelte Stefan Weber Lunacek und Kircher seine Sachverhaltsdarstellung. Lunacek bat Kircher, der Sache nachzugehen, Kircher bat Spörl um einen Beweis, und Spörl übermittelte eine Kopie seiner Promotionsurkunde als Scan. Beigefügt war der lateinischen Urkunde eine beglaubigte Übersetzung – und die Bestätigung eines Notars, dass die Fotokopie mit der Vorlage „vollkommen“ übereinstimme. Kircher stellte fest, dass es den Notar tatsächlich gibt, und hegte keine weiteren Zweifel. Was er vielleicht nicht bedacht haben dürfte: Dass der Notar nicht die Richtigkeit des „Originals“ bestätigt.
Kircher konnte und wollte anfangs nicht glauben, was er vom KURIER erfuhr. Aber er forderte Spörl auf, sich zu erklären. Dieser blieb aber bei seiner Darstellung und stellte auch eine Vollmacht aus, mit der Kircher bei der Universität Würzburg nachfragen konnte. Eine offizielle Stellungnahme der Uni steht zwar noch aus. Aber es „verdichteten“ sich die Indizien, dass es tatsächlich keine Dissertation gibt.
Ach ja: In Deutschland gibt es – im Gegensatz zu Österreich – eine Veröffentlichungspflicht von Dissertationen. Die Arbeit kann also nicht so einfach verschwinden.
Und: Axel Spörl besitzt eine Immobilie in der Säulengasse. Dort engagiert er sich in seinem Musiktheater-Verein „Schmähfabrik“.
"Desaster Check"
Kircher will nun Korn Ferry, zu deren Aufgaben ein sogenannter "Desaster Check" gehört habe, zur Rechenschaft ziehen. Die weiteren Schritte sollen in den nächsten Tagen nach Abstimmung mit dem Kulturstaatssekretariat bekannt gegeben werden.
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