Bundesmuseen: Das Gespenst der Holding geht um
Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, scheut keinen Konflikt. Im Interview mit dem KURIER schlug er vor, wegen Corona eine Zeit lang auf den Theaterbesuch zu verzichten. Zudem ging er, die Kollegenschaft hinter sich wissend, auf Konfrontationskurs mit der Kulturpolitik. Denn er sagt: „Wenn man in der derzeitigen Situation die Bundesmuseen vollends ruinieren will, dann macht man eine Holding. Dass eine solche Konstruktion falsch ist, wissen wir aus Berlin und München.“
Das Gespenst einer Holding geistert schon lang rund um die Minoritenkirche von Wien. Und immer, wenn es im Kanzleramt oder sonstwo gesichtet wird, bilden die mitunter in Feindschaft verbundenen Museumsdirektoren eine wirkmächtige Allianz.
Ende der 90er-Jahre gliederte die SPÖ den Bundestheaterverband in eine Holding samt Tochtergesellschaften (für die Staats- und die Volksoper sowie das Burg- samt Akademietheater) aus. Die ÖVP hingegen entschloss sich, die Museen in Anstalten öffentlichen Rechts überzuführen – angebunden an das Kulturministerium.
Weil die neue Freiheit, die Wilfried Seipel als übermächtiger Direktor des Kunsthistorischen Museums erwirkt hatte, auch zum Fremdgrasen führte, startete Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) ab etwa 2008 einen Reformprozess. Ihr Sektionsleiter Michael Franz sah sich bereits als Chef einer Holding.
Drozdas Weißbuch
Doch die Direktoren obsiegten. Auch alle weiteren Versuche wurden mit einem Verweis auf das Burgtheater pariert. Denn trotz Holding gab es den erst 2014 publik gewordenen Finanzskandal.
Im Juli 2016 unternahm Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) einen neuen Anlauf: Er beauftragte seine damalige Sektionsleiterin Andrea Ecker (nun Mayer) und Ex-Mumok-Direktor Edelbert Köb mit der Erstellung eines „Weißbuchs“ zur Reform der Museen.
Zur Debatte stand u. a. eine große Kulturholding und eine Managementholding für die Museen. Drozda beugte sich aber den Wünschen: Im Kanzleramt sollte bloß ein strategisches Beteiligungsmanagement installiert werden.
Zur Umsetzung kam es nicht, da Ende 2017 Gernot Blümel (ÖVP) folgte. Der jetzige Finanzminister kündigte im März 2019 einen Generalsekretär und eine Service-Gesellschaft ab 2020 an. Wenig später detonierte Ibiza.
Zu Neujahr tauchte das Gespenst wieder auf. Denn im türkis-grünen Regierungsübereinkommen wurde die „Schaffung einer Bundesmuseums-Holding mit klar definierten wirtschaftlichen Aufgaben“ angekündigt. Um die Direktoren nicht gleich gegen sich aufzubringen, versprach die Regierung im gleichen Atemzug die „Stärkung der Bundesmuseums-Direktorenkonferenz durch gesetzliche Verankerung“ – mit dem Ziel, die inhaltliche Autonomie der Häuser sicherzustellen.
Genutzt hat es nichts. Bereits am 3. Jänner meinte Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Nationalbibliothek, als temporäre Sprecherin der Direktorenkonferenz gegenüber der APA, dass sie die angekündigte Holding für „verzichtbar“ hält.
Das Gespenst verschwand sogleich hinter einer Tapetentür. Seit Ausbruch der Corona-Krise haben die Kulturpolitikerinnen andere Sorgen. Aber an der Umsetzung der Holding wird gearbeitet.
Ende Mai beklagte Christian Köberl, dessen Vertrag als Direktor des Naturhistorischen Museums nicht verlängert wurde, gegenüber der APA, dass immer wieder versucht worden sei, „etwas von der Autonomie der Museen an das Ministerium“ zurückzuholen. „Und dann geistert schon seit Jahren das Gespenst einer Holding herum, die nur viel kostet und eine weitere Verwaltungsebene bedeutet, aber sonst für nichts gut ist.“ Er würde sich wünschen, dass die Kulturpolitik nicht permanent versucht, in die ausgegliederten Anstalten hineinzuregieren.
Schröder pflichtet bei: „Es gibt einen einzigen Grund für die Gründung einer Holding: Wenn man keinen freien Wettbewerb will. Der wurde einst in den kommunistischen Ländern unterbunden. Weil es in der DDR den Trabant gab, durfte es kein anderes Auto geben. Ähnliches würde mit einer Bundesmuseen-Holding drohen.“ Gerade der Wettbewerb habe zu einer Blütezeit geführt. Und die Museen würden auch ohne Holding eng zusammenarbeiten – etwa beim Einkauf.
Schröder malt schwarz
„Wer eine Holding für acht von der Zielsetzung her unterschiedliche Bundesmuseen gründen will, gibt zu verstehen, keine Ahnung vom Geschäft zu haben“, sagt Schröder. „Man muss anders fragen: Für wen hätte die Holding einen Vorteil? Vielleicht für den politischen Entscheidungsträger.“ Denn es sei unabdingbar, dass der Verteilungsschlüssel der Basisdotierung für die Museen aufgrund der Einnahmeausfälle durch Corona gerechter verteilt werden müsse. „Aber dabei macht man sich die Finger schmutzig. Ich verstehe, wenn sich die zuständige Person denkt: Das soll lieber der Holding-Chef machen!“
Aber eben, so Schröder: Die Holding sei „das Dümmste, was man machen kann. Und man sollte sie nur machen dürfen, wenn man auch die Konsequenzen trägt – und bei Misserfolg den Kopf hinhält.“ Es wird ein spannendes Match werden.
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