Buchkritik: Jennifer Egans "Manhattan Beach"

Buchkritik: Jennifer Egans "Manhattan Beach"
Historischer New York-Roman mit einer Taucherin für die Marine. Eine Schweißerin als Haupftgigur wäre nicht so gut gewesen.

Zum Hineinfallen, zum tagelangen Verweilen, das ist „ Manhattan Beach“ der Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan, die sich in einen Tauchanzug, wie man ihn im Weltkrieg trug, zwängte – 100 Kilo schwer, von Veteranen spaßhalber „Kleid“ genannt.
Getaucht ist Egan damit nicht, aber spüren wollte  sie dieses Gefängnis, ehe sie die mutige Anna Kerrigan langsam (im ersten Teil ist sie noch ein Kind) zu den rauen Männern in die Werft entlässt, Kriegsdienst  – und danach ins Meer.
Manhattan Beach“ ist ein historischer New York-Roman,  der –  manchmal vergisst man, dass die Stadt am Meer liegt – den Hafen im Mittelpunkt hat. Die Marinewerft in Brooklyn, in der die meisten der alliierten Kriegsschiffe konstruiert  und repariert wurden. Fisch und Salz und Benzin, „die industrielle Version von der Meeresluft“.

Ausgelacht

Egan wollte zeigen, wie die Frauen in Kriegszeiten gefordert wurden. Sie hätte einer Schweißerin  die Hauptrolle geben können, eine hat sie kennengelernt: nur 1,50 m groß und ideal für manche Schiffsarbeiten war sie. Hochgeschätzt. Nach 1945 brauchte sie einen neuen Job, aber jetzt haben sie die Männer  ausgelacht und fortgeschickt. Sie hat das nie vergessen.
Taucherinnen gab es in der US-Marine damals  keine. Die erste Taucherin wurde für den Roman erfunden.
Anna Kerrigans aus Irland stammende Familie – die behinderte Schwester, der von heute auf morgen verschwundene Vater sowie die Mutter, einst Tänzerin bei den Follies – sorgt dafür, dass es nie Durchhänger gibt.
Auch die Verwandten ihres späteren Geliebten –   Barbesitzer und Gangster –  bringen Schwung, sogar tödlichen Schwung.
Eine Geschichte aus den 1930ern, 1940ern im Hafen geht nicht ohne organisierte Kriminalität. Anna ist überzeugt, dass ihr Vater –  Schmiergeldbote?  – bei den Fischen im brackigen Wasser liegt. Sie taucht.
Die Szenen im Wasser sind wie Wellen, die einen mitnehmen. Mit einer Schweißerin wär’ das kaum gelungen.

 

Jennifer Egan:Manhattan Beach
Übersetzt von
Henning Ahrens.
S. Fischer.
496 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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