In „Vertrauensübung“ nehmen wir am Leben der zu Beginn der Erzählung, 1982, fast 16-jährigen Sarah teil. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und jobbt schon in aller Herrgottsfrüh in einer Bäckerei, um sich den Führerschein leisten zu können. Denn hier, in dieser trostlosen US-Vorstadt, fahren nur Tote nicht Auto.
Sarah ist wahnsinnig verliebt in David, der aus einer wohlhabenden Familie stammt. Ob dies die Kräfteverhältnisse in dieser jungen Liebe beeinflusst, ist nicht klar. Die beiden werden einander jedenfalls nachhaltig wehtun. Zunächst sind Sarah und David das Traumpaar der Elite-Schauspielschule CAPA und sie buhlen, wie alle hier, um die Sympathie des geheimnisvollen, charismatischen Schauspiellehrers Mr. Kingsley, der mit fragwürdigen Psychospielen versucht, die Schüler zum Äußersten zu bringen – des Schauspiels wegen. Er nennt das „Vertrauensübung“. Ein bisschen wie Method Acting, wo real Erlebtes der Schauspieltechnik dient. Hier sitzen allerdings noch halbe Kinder, deren verwundbare Seelen emotionalen Schmerz intensiver als Erwachsene erleben. „Die Vertrauensübung“ reißt Gräben auf. Bald geht es um Betrug und Verlassenwerden, um Konkurrenz, Minderwertigkeitsgefühle und um falsche Freundschaft.
Eine fesselnde, clevere Geschichte über Hoffnungen, Möglichkeiten und Grausamkeiten des Teenagerlebens ist dieser Roman bis zu jenem Punkt, an dem ein Erzählerwechsel alles, was man bisher glaubte, auf den Kopf stellt. Nun berichtet Sarahs Freundin, doch was sich hier darstellt, ist mehr als die „andere Seite der Medaille“.
Dieser clevere Roman ist voll von Überraschungen. Keine Überraschung ist natürlich die Erkenntnis, dass sich jeder ein Narrativ seines Lebens zurechtbastelt und dass die Dinge nie so sind, wie wir glauben – vor allem dann nicht, wenn wir sie selbst erlebt haben. Aber Susan Choi geht darüber hinaus. In dieser Story, die sich im Grunde immer um die paar in der Schauspielschule verbrachten Jahre und die spätere Rückschau darauf dreht, tun sich Abgründe auf.
„Wir waren Kinder“, sagt Sarah später zu David über die gemeinsame Zeit. Er lacht verächtlich. „Wir waren doch niemals Kinder.“