Ruby Bridges war die erste Afroamerikanerin an ihrer Schule in New Orleans und eines der ersten afroamerikanischen Kinder im Süden der USA, die eine nunmehr „gemischtrassige“ Schule besuchten. Und Ruby Bridges, heute eine bekannte Bürgerrechtlerin, ging ihren Weg.
Dem kleinen Tommy gelang das wohl nicht. Tommy ist die Hauptfigur in Diane Olivers Shortstory „Nachbarn“, der Titelgeschichte ihres nun erschienenen Erzählbandes. Tommy hat den Aufnahmetest für die bis dahin Weißen vorbehaltene Schule bestanden, seine Eltern wollen, dass er eine gute Ausbildung bekommt. Stattdessen bekommt Tommy Polizeischutz. Seit Wochen wird die Familie bedroht. Man werde ihren Buben vergiften, schreibt man ihnen, es regnet Steine durchs Fenster, sogar eine Bombe landet im Garten. „Er ist unser Kind“, sagt die Mutter zum Vater, vor die schwerwiegende Entscheidung gestellt, ob sie Tommy auf diesen beschwerlichen Weg schicken sollen. Das Private, es ist politisch.
„Nachbarn“ ist Diane Olivers bekannteste Erzählung und eine von nur vier zu ihren Lebzeiten veröffentlichten. 1943 in North Carolina geboren, starb Oliver mit nur 22 Jahren bei einem Motorradunfall. Wenige kennen die afroamerikanische Autorin, deren Kurzgeschichten von Jahren des sozialen Umbruchs in den USA erzählen. Ein Großteil der hier nun erstmals auf Deutsch versammelten vierzehn Texte stammt aus dem Nachlass, den eine Literaturagentin erst kürzlich entdeckte. Olivers Storys gleichen einer Zeitkapsel, schreibt die Autorin Tayari Jones im Nachwort. Sie berichten von prägenden Momenten des Wandels und dokumentieren zugleich die Kultur schwarzer Amerikaner in den Südstaaten. Sie erzählen von gestern und sagen so viel über das Heute.