Dort siedelt Ilse Helbich ihre Dorfgeschichten an. Das Wort „abgründig“ ist gar kein Ausdruck dafür. Durch ihre zarten, präzisen Erzählungen zieht sich von den ersten Zeilen an eine leise, unbestimmte Ahnung, dass da etwas auf uns zukommt.
Dabei ist Ilse Helbichs Schreiben selbst sehr literarisch und so gar nicht reißerisch. Da sind die Ställe mit den Kühen und den Schweinen und dem Federvieh, da sind der Manhartsberg und der Klopfhartsberg und die hochsteigenden, mit Reben bepflanzten Hügel. Man wähnt sich zunächst fast bei Adalbert Stifter. Und mit fortschreitender Handlung zunehmend auch bei Ludwig Hirsch, der mit sanfter Intonation und grazilen Melodien von den kleinen und großen Bosheiten der Menschheit sang.
Davon handeln auch die drei Geschichten in Ilse Helbichs schmalem Band „Wie das Leben so spielt.“ Insbesondere die erste, titelgebende hat es in sich. In die eingangs beschriebene Idylle zieht es ein pensioniertes Professorenpaar, das in einem fiktiven Ort namens Scharberg eine Villa kauft. (Ilse Helbich selbst lebt in Schönberg am Kamp, gut möglich, dass der traditionsreiche Sommerfrische-Ort für Scharberg Pate stand.)
Mit der Villa übernimmt das Paar die Haushälterin und ziemlich rasch wird klar, dass die angestrebten schönsten Tage ihres Lebens für die beiden Pensionisten gezählt sind. Tierliebende Leser werden sich womöglich zunächst um den Hund sorgen, der als Haus- und Wandergenosse des Herrn Professors angeschafft wird. Nun will man an dieser Stelle nicht zu viel von der Handlung vorwegnehmen. Vielleicht muss der Hund jedoch nicht die größte Sorge des Lesers sein. Es wird einige, überraschende Volten in dieser dichten Erzählung geben. Nur so viel: Man sollte sich hüten vor den redseligen älteren Damen, denen man bei der Obstwaage begegnet.
Weniger kriminell, dennoch hinterlistig die Story „Einfach so“, die von einer Frau handelt, die auf die Ansichten ihrer erwachsenen Tochter nicht viel gibt. Zurecht, wie sich zeigen wird. Ein bisserl gar naiv im Ton die Geschichte „Die Welten“, die ebenfalls einen starken Spannungsbogen andeutet, dem aber zuletzt die Luft ausgeht. Aus all ihren Geschichten sprechen, neben einer gewissen Abgeklärtheit, Beobachtungsgabe und Lebenserfahrung. Die könnte man Ilse Helbich auch schwer absprechen: Sie wird am 22. Oktober 100. Mit 80 debütierte die gebürtige Wienerin mit dem autobiografischen Roman „Schwalbenschrift“. Schon davor war die promovierte Germanistin immer wieder publizistisch tätig, unter anderem mit einem Drehbuch für eine TV-Doku über Wittgensteins Erben.
Peter Handke, mit dem sie in Briefkontakt stand, bezeichnete Ilse Helbichs Schreiben als „zarte Wucht.“ Und natürlich hat er recht.