Die Großwildjagd braucht er zur Entspannung
Spätestens an dieser Stelle fragt man sich, ob man es bei Gaea Schoeters Roman „Trophäe“ mit einer Hemingway-Persiflage zu tun hat. Die Jagd als maskulines Urerlebnis. Doch bald ist Schluss mit Safari-Romantik.
Hemingways Beschreibung von Mensch und Tier im Fokus des gewaltsamen Todes ist grausam, gewiss, aber was hier passiert, hätte auch den alten Haudegen blass um die Nase werden lassen. Diese Großwildjagd artet aus. Von Heldengeschichten ist bald keine Rede mehr.
Hunter White, der Protagonist dieser Geschichte, verdient astronomische Summen als Investor. Die Großwildjagd braucht er zur Entspannung, er liebt es, Auge in Auge mit den gefährlichsten Tieren der Welt zu stehen und zu wissen: Er steht ganz oben in der Nahrungskette. Und schließlich trägt er nicht umsonst den Namen „Hunter“ nach dem berühmten Großwildjäger J. A. Hunter, der hier in Zentralafrika wohl mehrmals seine „Big Five“ geschossen hat. Löwe, Nashorn, Elefant, Büffel, Leopard. Ihm, Hunter, fehlt nur mehr das Nashorn, um seine „Big Five“ zu komplettieren.
Das Undenkbare wird real
Wobei, so rühmt er sich, er natürlich ein verantwortungsvoller Jäger ist. Er zahlt ein Heidengeld für seine Abschusslizenzen und sieht sich als Förderer des Artenschutzes. „Sein“ Nashorn ist ein älteres Exemplar, das hier in der afrikanischen Steppe ohnehin ein „Störfaktor“ ist, weil sich kein Weibchen mehr mit ihm paaren will. Hunter erweist der Gruppe also einen Dienst. Außerdem werden mit seinem Geld Schulen gebaut, er hilft also der lokalen Bevölkerung.
Aus dem Nashornprojekt wird allerdings nichts. Wilderer kommen ihm zuvor. Hunter bebt vor Zorn und will sich rächen. Als ihn sein Gastgeber fragt, ob er schon einmal von den „Big Six“ gehört habe, und ihm von einem Hochstand aus einen jungen Afrikaner beim Jagen beobachten lässt, ist Hunter zunächst fassungslos. Hat man ihm tatsächlich gerade die Jagd auf einen Menschen angeboten?
Doch das Entsetzen schwindet bald, weicht einem gewissen Pragmatismus. Schließlich sammelt seine Frau, eine Kunsthändlerin, ja auch Schrumpfköpfe. Und sein Gastgeber versichert: Ein Menschenleben sei in Afrika weniger wert. Weil das Leben hier nun einmal härter sei. Und mit der Lizenz zum Töten eines Einheimischen (er spricht von „Buschmännern“) könne man Bildungsprojekte für andere finanzieren. Das Undenkbare wird langsam real.
Moralisch überlegen?
Gaea Schoeters stellt ihrem Roman ein Zitat aus Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“ voran, die die Grausamkeit englischer Kolonialisten gegenüber den Bewohnern Zentralafrikas schildert. Die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Europas streift die flämische Autorin selbst hier nur am Rande. Worum es ihr eigentlich geht: Die vermeintliche moralische Überlegenheit des „Westens“ – ein „Luxusprodukt, das man sich leisten können muss“, wie ein Einheimischer zu Hunter sagt. Und so ist „Trophäe“ ein Buch mit Botschaft, gewiss, doch unglaublich spannend und rasant erzählt. In Sätzen von ja, hemingway’scher Präzision.